taz 1.11.2000

Schröder in Israel

Neue Kämpfe begleiten die Ankunft des deutschen Kanzlers in Israel.

Barak braucht die politische Duldung durch die Schass-Partei

JERUSALEM dpa/ap/taz Mit militärischen Ehren und schwarzrotgoldenem Flaggenschmuck ist Bundeskanzler Schröder am Dienstagvormittag in Jerusalem empfangen worden. Schröder, der aus Damaskus zu seinem Antrittsbesuch in Israel angereist war, traf mit Israels Ministerpräsident Barak zu einem anderthalbstündigen Gespräch zusammen, das von beiden Seiten als sehr fruchtbar bezeichnet wurde. Schröder rief erneut die Konfliktparteien zur Beendigung der Gewalt auf und sagte deutsche Hilfe bei der Freilassung gefangener israelischer Soldaten im Libanon zu. Bei der Begrüßung des deutschen Staatsgastes hatte Barak sich deutlich für eine Fortsetzung des Friedensprozesses ausgesprochen. Am Nachmittag wurde Schröder von Staatspräsident Mosche Katzav empfangen.

Unterdessen kam es in den Palästinensergebieten wieder zu schweren bewaffneten Konflikten. Nachdem nahe der palästinensischen Ortschaft Beit Dschallah ein Bewohner der jüdischen Siedlung Gilo gefesselt und erstochen aufgefunden worden war und ein israelischer Wachmann in Jerusalem niedergeschossen wurde, flog die israelische Luftwaffe in der Nacht zum Dienstag Angriffe mit Kampfhubschraubern im Gaza-Streifen und im Westjordanland. Einrichtungen der Fatah-Partei des Präsidenten Arafat, vor allem der paramilitärischen Organisation "Tansim", wurden mit Raketen beschossen. Im Verlauf des Dienstags eskalierten die Kämpfe vor allem im Gaza-Streifen, wo Israel mit Panzern gegen Stellungen militanter Palästinenser vorging. Am Grenzübergang Karni erschoss die israelische Armee zwei Palästinenser, bei den Gefechten wurde auch der Korrespondent des US-Nachrichtensenders CNN, Ben Wedemann, verletzt.

Nach dem Scheitern seiner Bemühungen um eine Koalition der nationalen Einheit unter Einschluss des oppositionellen Likud ist Ministerpräsident Barak im israelischen Parlament, das am Montagabend erstmals nach der Sommerpause zusammentrat, auf die Duldung seiner Minderheitsregierung durch die ultraorthodoxe Schass-Partei angewiesen. Wie der Schass-Vorsitzende Eli Ischai am Dienstag nach Gesprächen mit Barak erklärte, ist seine Partei während der kommenden vier Wochen dazu bereit, sofern Barak in diesem Zeitraum keine Schritte zur Umsetzung der Vereinbarungen von Camp David unternehme. Nach israelischen Medienberichten ist Schass in einer Vereinbarung mit Barak eine erweiterte Finanzierung der von der Gruppierung betriebenen religiösen Privatschulen zugesichert worden. Die geplante Allianz zwischen Barak und dem Likud war am Montagabend daran gescheitert, dass Likud-Chef Ariel Scharon ein Vetorecht bei allen künftigen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern verlangt hatte.