Aachener Nachrichten, 31.10.2000

Kaum noch Hoffnung für Calhan

Bedrückte Stimmung unter den Freunden

Aachen (an-o/dd). Die Stimmung ist bedrückt. Mehr als vier Wochen hatten
sich Menschen verschiedener Kreise für den Aachener Friedenspreisträger
Hüseyin Calhan eingesetzt. Hatten Mahnwachen abgehalten und Resolutionen
verfasst. Oder abwechselnd den Kurden im Abschiebeknast besucht.

SPD-Vorsitzende Karl Schultheis versprach, sich am Dienstag noch einmal an
die verantwortlichen Stellen telefonisch zu wenden. "Aber viel Hoffnung habe
ich nicht mehr."

Völlig fassungslos sind diejenigen, die den 27-jährigen Kurden häufig
besuchten und betreuten. Ursula Neumann aus der Pfarre St. Germanus sagte
den "Nachrichten: "Ich hatte wirklich gedacht, dass deutsche Gerichte
humaner urteilen." Gemeinsam mit Eva Klaar, Silvia Reissen und Hans Schmitz
wird sie sich am Dienstag am Düsseldorfer Flughafen aufhalten. "Vielleicht
spürt Hüseyin ja unsere Anwesenheit", vermutet Eva Klaar.

Am Montag Abend soll Hüseyin Calhan nach unbestätigten Meldungen bereits
nach Düsseldorf oder Köln gebracht worden sein. Die Behörden befürchteten
wohl eine Eskalation, wenn sie Calhan erst am Dienstag Morgen nach
Düsseldorf bringen. Vor dem Knast in Büren halten sich seit Montag Abend, 22
Uhr, Demonstranten auf, um die Abschiebung Calhans zu verhindern.

"Hüseyin Calhan ist gefährdet", bekräftigt Markus Reissen. Er führt das
Schicksal Mehrmet Kilic an. Am 24. Oktober wurde der kurdische Sprecher des
Wuppertaler Kirchenwanderasyls, Mehmet Kilic, in die Türkei abgeschoben. Die
Behauptung, Kilic sei von Inhaftierung, Folter und möglicherweise den Tod
bedroht, wurde von den abschiebenden Behörden bestritten.

Wo ist Kilic?

Sofort nach Ankunft in Istanbul wurde Kilic zur Feststellung seiner
Personalien von der Polizei festgesetzt. Nach kurzer Zeit wurde er, so die
Auskunft deutscher Konsularbeamter, wieder freigelassen. Seit dieser Zeit
fehlt von Kilic jede Spur. Er hat sich nicht, wie vereinbart, bei seinem
"Paten" in Wuppertal gemeldet. "Ich habe am Montag noch mit Mehmets
Schwägerin telefoniert, sie wartet immer noch auf ein Lebenszeichen von
ihm", berichtet Reissen. Auch das Auswärtige Amt wisse nichts über den
Verbleib des Kurden.