taz, 31.10.2000

Israel will Sondertruppe einsetzen

Erstmals seit den jüngsten Unruhen tagt das israelische Parlament. Die Koalitionsverhandlungen zwischen Arbeitspartei und Likud kommen nicht voran, während die Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis wieder neue Tote fordert

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Israels Parlamentspräsident Abraham Burg hat gestern den Appell eines arabischen Abgeordneten abgelehnt, die Knesset-Winterperiode mit einer Gedenkminute für die 13 getöteten arabisch-israelischen Demonstranten zu beginnen. Um mögliche gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern, stockte Burg zudem das Sicherheitsaufgebot im Abgeordnetenhaus auf. Die zehn arabisch-israelischen Parlamentarier wollten trotz Burgs Entscheidung die Sitzung dennoch mit einer Gedenkminute beginnen. Politiker aus dem rechten Lager wollten darauf mit dem Singen der Nationalhymne reagieren. Burg warnte, mit "harter Hand" gegen jeden vorzugehen, der die Ordnung im Parlament stört.

Für Ehud Barak begann gestern die wohl letzte Runde in seinem politischen Überlebenskampf. Ein erneutes Treffen mit dem Oppositionsführer Ariel Scharon am Morgen hatte zu keiner weiteren Annäherung geführt. "Barak hält offenbar an den Grundsätzen von Camp David fest", kommentierte Scharon. Eine seiner Koalitionsbedingungen war, dass sämtliche bisherigen Verträge zwischen Israel und den Palästinensern ihre Gültigkeit verlieren. Solange die Verhandlungen zwischen Arbeitspartei und Likud andauern, wird die Opposition von einem Misstrauensvotum gegen Barak absehen. Zudem versprach ihm die zweitgrößte Oppositionspartei Schas für die Dauer der derzeitigen Krise mit den Palästinensern Rückendeckung. Dafür müsse jedoch die von Barak angestrebte "weltliche Revolution" ausgesetzt werden.

Trotz der zwischen Palästinensern und Israelis vereinbarten Maßnahmen eskalierte die Gewalt in den Palästinensergebieten erneut. Fünf Palästinenser starben am Sonntag. Auf israelischer Seite starb gestern ein ziviler Wachmann und einige Soldaten wurden zum Teil schwer verletzt. Vor allem im Gaza-Streifen gab es schwere Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.

Israels Armee kündigte schärfere Maßnahmen an. So sollen die Soldaten künftig nicht mehr nur reagieren, sondern selbst Initiative ergreifen. Vizeverteidigungsminister Efraim Sneh will eine speziell für den Guerillakrieg ausgebildete Einheit einsetzen. Schärfere Maßnahmen drohen auch der Hisbullah im Südlibanon. An der Grenze war es in den vergangenen Wochen wiederholt zu Zwischenfällen gekommen. Die Tageszeitung Haaretz zitierte militärische Quellen mit der Warnung auch an Syrien, dass "begrenzte Auseinandersetzungen zu einem begrenzten Krieg führen können".