Die Presse (A), 31.10.2000

"Habe nicht den Eindruck, daß Khatami amtsmüde ist"

Nationalratspräsident Fischer, der am Sonntag in Teheran mit dem iranischen Präsidenten zusammentraf, rechnet mit einer Wiederkandidatur Khatamis.

TEHERAN/WIEN (scu.). Aus der Umgebung des iranischen Präsidenten Mohammed Khatami verlautete zuletzt, er sei "frustriert und amtsmüde". Der Erste Parlamentspräsident Heinz Fischer (SP), der erst am Sonntag mit dem 1997 gewählten Khatami in Teheran zusammengetroffen war, teilt diese Einschätzung nicht: "Ich habe nicht den Eindruck, daß Khatami amtsmüde ist", erklärte Fischer, der sich noch bis Mittwoch an der Spitze einer österreichischen Parlamentarierdelegation im Iran aufhält, in einem Telephongespräch mit der "Presse". Er, Fischer, habe dem iranischen Präsidenten auch mitgeteilt, daß Europa den Reformprozeß im Iran mit großer Aufmerksamkeit verfolge und es gutheißen würde, sollte Khatami bei den Präsidentenwahlen im Mai erneut kandidieren. "Diese Bemerkung hat Khatami mit Genugtuung zur Kenntnis genommen", betonte Fischer. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, vermutet hinter der Weigerung Khatamis, schon jetzt bekanntzugeben, ob er im Mai kandidieren wird, einen taktischen Schachzug: "Er will sich bewußt zurückhalten. Schließlich steht Khatami unter enormem Druck sowohl der Hardliner als auch der radikalen Reformer."