junge Welt, 30.10.2000

Kommentar: Brandstifter

CDU und PDS spielen die nationalistische Karte

Es wird immer offensichtlicher, daß so manchem Politiker von CDU bis PDS selbst die unverbindlichen und verlogenen Lippenbekenntnisse gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, die seit einigen Monaten wohlfeil gestreut werden, etwas zu weit zu gehen scheinen. Gerade die CDU, die ausländerfeindliche Ressentiments seit Jahrzehnten erfolgreich zur Mobilisierung einsetzt, scheint sich ernsthafte Sorgen um die wahlarithmetisch unverzichtbare Einbindung jenes Teils der deutschen Gesellschaft zu machen, dessen Bewußtsein von »Überfremdungs«phobien geprägt ist. Und so bemüht sich der frisch gekürte Generalsekretär Laurenz Meyer nach Kräften, die vom Fraktionschef Friedrich Merz mit der Formel von der »deutschen Leitkultur« geschlagene Bresche zu verbreitern. Wer wie Meyer ungefragt herumkrakeelt, »Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein«, benutzt ganz bewußt ein Vokabular, das hierzulande bisher nur von Neonazis und ihrem Umfeld benutzt wurde. Und wer wie Parteikollege Merz »größere Anpassungsleistungen« der hier lebenden Ausländer einfordert, läßt deutlich durchblicken, was mit denjenigen geschehen soll, die ihren Kulturbegriff nicht auf Gartenzwerge, Eisbein, Kirchgang, Big Brother und Stammtische ausrichten wollen.

Ganz so weit mag die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer bei ihrem hektischen Endspurt in die Mitte des wiedervereinigten Deutschlands noch nicht gehen. Jedoch dürfte ihr theatralisches »Ich liebe Deutschland« auf dem Cottbusser Parteitag auch auf jene knapp sechzig Prozent der PDS- Anhänger gemünzt gewesen sein, die der Meinung sind, es gebe zu viele Ausländer in Deutschland. Auch die hysterische Reaktion des neuen PDS-Fraktionschefs Roland Claus (»Ich sage nur tschüs«) auf Kritiker dieser unsäglichen Liebeserklärung läßt sich nur so interpretieren, daß es sich beim Auspielen der dumpfdeutschen Karte durch die PDS nicht um einen rhetorischen Ausrutscher, sondern um eine strategische Option handelt. Daß Gabi Zimmer ihre nunmehr geoutete Vaterlandsliebe bei genauerer Nachfrage eines taz- Reporters am vergangenen Wochenende mit dem rauschhaften Erlebnis der wunderschönen hessischen Rhön aus der Perspektive des Segelfliegers begründete, zeigt eigentlich, daß die PDS den Schritt von der dümmlichen Volkstümelei zu CDU-Meyers ausgrenzendem Kulturbegriff noch nicht ganz geschafft hat. Wer die Partei ein bißchen kennt, wird aber wenig Zweifel daran hegen, daß ihr auch dieser Schritt in die Mitte der Gesellschaft bald gelingen wird.

Und wenn die Ersatzhandlung NPD-Verbot erst einmal im Konsens aller patriotischen Antifaschisten auf den Weg gebracht ist, kann man sich gemeinsam der Segregation von nützlichen nd »anpassungsunwilligen« Ausländern widmen.

Rainer Balcerowiak