Aachener Nachrichten, 30.10.2000

Fall Calhan: Bischof appelliert an die Gesetzgeber

Mussinghoff: "Abschiebung verhindern"

Aachen (an-o). Vergangene Woche wurde Hüseyin Calhan vom Paderborner Amtsarzt Reisefähigkeit attestiert. Am Montag entscheidet das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, ob dieses Gutachten ausreicht. Seine Auflage, einen Facharzt für Psychiatrie beizuziehen, ignorierte der Amtsarzt nämlich.

Seit nunmehr viereinhalb Wochen geht das Tauziehen um den 27-jährigen Kurden, dem die Abschiebung in die Türkei droht, weil er sich illegal im Kirchenwanderasyl aufhält. Für den Alewiten, den in der Türkei möglicherweise Folter oder gar der Tod erwartet, eine ungeheure psychische Belastung.

Am Montag wird er wieder in die Abschiebezelle gebracht werden, weil der Kreis Wesel für Dienstag die Abschiebung angeordnet hat. Dabei stützt sich Wesel auf das Gutachten des Paderborner Amtsarztes Dr. Eicker. "Hüseyin wird einem unerträglichen Wechselbad der Gefühle ausgesetzt", regte sich der evangelische Superintendent Hans-Peter Bruckhoff auf, der sich gemeinsam mit Regionaldekan Hans-Georg Schornstein für Calhan einsetzt.

Bischof fordert Freilassung

Am Sonntag bekamen beide Kirchenmänner prominente Unterstützung. Aachens Bischof Heinrich Mussinghoff, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bat anlässlich eines Empfangs zu seinem 60. Geburtstag "alle Verantwortlichen, die Abschiebung unbedingt zu verhindern." In der Türkei seien die Kurden gefährdet an Leib und Leben, sagte der Oberhirte. Die Gesetzgeber rief der Bischof auf, die Asylgesetze so zu ändern, dass die individuellen Bedürfnisse der Schutzsuchenden berücksichtigt würden.

Regionaldekan Hans-Georg Schornstein kommentierte die beinharte Haltung des Kreises Wesel: "So kann man auch von Amts wegen Ausländerhass schüren. So ganz nach dem Motto: Ich habe schon immer gemeint, die Kurden müssen raus - endlich greift mal eine Behörde ein. Genau so schlimm aber ist, dass viele Menschen ihr Vertrauen in die Behörden verlieren, wenn sie sehen, wie die Kreisverwaltung von Wesel sich ins Zeug legt, den ungeliebten Kurden los zu werden."

Georg Dünnwald