Frankfurter Rundschau, 30.10.2000

Für Schröder gilt in Nahost nur eine Maxime - bloß nicht Partei nehmen

Der Kanzler würdigt zu Beginn seiner Reise Ägyptens Staatschef Mubarak als wichtigsten Makler im Friedensprozess

Von Knut Pries (Kairo)

"Frieden braucht wirtschaftliche Entwicklung", sagt Gerhard Schröder beim Lunch mit der Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer in Kairo, "und die wirtschaftliche Entwicklung braucht Frieden". Soeben hat der Kanzler den Grundstein zum künftigen deutschen Industriezentrum, "German Industry Tower", gelegt - ein guter Anlass, gleich zu Beginn seiner Sechs-Länder-Reise durch den Nahen Osten den Gastgebern eine Kernbotschaft zu übermitteln: Krisen löst man nur, "wo die Menschen spüren, dass Frieden und Demokratie sich lohnen". Das spüren sie in dieser Region noch zu wenig. Die dramatisch zugespitzte Konfrontation zwischen Israelis und Palästinensern zeigt das.

Die deutschen Direktinvestitionen in Ägypten steigen, aber über eine Viertelmilliarde Mark sind sie noch nicht hinaus gekommen, in einem Markt von mehr als 60 Millionen Menschen. Wesentliche Ursache ist die Furcht der Investoren vor der politischen Instabilität - aus diesem Teufelskreis, das will Schröder vermitteln, kommen wir nur heraus, wenn wir bei beidem, beim Frieden wie der Prosperität, Fortschritte schaffen.

Es ist eine Botschaft, die auch ein deutscher Regierungschef plausibel vortragen kann. Ansonsten sind auf dieser Reise seine Möglichkeiten zum Erfolg begrenzt - ganz im Gegensatz zum Risiko, sich durch unbedachte Äußerungen Sympathien zu verscherzen oder Erwartungen zu enttäuschen. Die vor allem im Sonderverhältnis zu Israel begründete Enge des Spielraums werde aber bei den Gesprächspartnern gleich welchen Lagers im Grunde verstanden und respektiert, heißt es zu Beginn der Reise in Schröders Stab. Wo dennoch Forderungen nach einer energischen Unterstützung für die eigene Position oder nach Verurteilung des Kontrahenten laut würden, sei das eher ein Zugeständnis an die Aufgeregtheit der jeweiligen heimischen Öffentlichkeit. So ist für die Tour nach Ägypten, Libanon, Jordanien, Syrien, Israel und in die palästinensischen Gebiete ein Credo oberstes Gesetz, das in der Berliner Delegation jeder herunterbeten kann: "Niemand wird es gelingen, die Bundesregierung oder ihren Chef zu einseitiger Parteinahme anzuregen oder gar in Dienst zu nehmen." Vermittlung, die Entwicklung eigener Vorschläge für Kompromisse, kommt hingegen nicht in Frage und ist den USA vorbehalten. Sorgen, Präsident Bill Clinton werde diese Rolle angesichts des bevorstehenden Wechsels im Weißen Haus nicht mehr ausreichend wahrnehmen können, halten die Deutschen für übertrieben: Die Washingtoner Administration funktioniere auch in Zeiten des Übergangs.

Bleiben die "guten Dienste" der Diplomatie oder, wie Schröder mit einer seiner Lieblingswendungen sagt: "Wir wollen hilfreich sein." Soll heißen: Man will die jeweiligen Vorstellungen verständnisvoll aufnehmen und verzerrungsfrei den anderen Beteiligten übermitteln. Wertvoll werde diese Dienstleistung vor allem, wenn die Streitparteien selbst Mühe haben, jenseits wütender Rhetorik das konstruktive Gespräch aufrecht zu erhalten.

In diesem Sinne ist der Reiseablauf zu verstehen. Es sei kein Zufall, dass er zunächst an den Nil komme, erklärt Schröder in Kairo gleich nach dem ersten Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten. Hosni Mubarak, das habe er auf dem jüngsten arabischen Gipfel bewiesen, sei zweifellos "der wichtigste Makler für den Friedensprozess im Nahen Osten".