taz Hamburg, 27.10.2000

Wieder: Beamtete Geiselnehmer

Ausländerbehörde verstößt erneut gegen Vereinbarung

Geiselhaft in der Ausländerbehörde, hatte sich GAL-Fraktionschefin Antje Möller nach den Marathonverhandlungen mit dem Regierungspartner SPD gefreut, wird es keine mehr geben. Verbindlich sei in der neuverfassten Drucksache zur Abschiebepolitik festgelegt, dass nicht mehr einzelne Mitglieder aus Flüchtlingsfamilien festgenommen werden, um die übrigen zu ihrer Abschiebung an den Flughafen zu zwingen. Nur zwei Wochen später setzte die Ausländerbehörde sich über die Koalitionsvereinbarung hinweg: Gestern früh ließ sie den Armenier Samuel Gabrieljan überraschend in seiner Unterkunft abholen, um ihn gegen 12 Uhr abzuschieben - ohne seine Familie. Wolle sie nicht von ihrem Mann getrennt werden, wurde Gabrieljans Ehefrau gesagt, müsse sie mit ihren drei kleinen Kindern ebenfalls zur Abschiebung erscheinen. Mit einer Petition verhinderte Gabireljans Rechtsanwalt Stefan Knief die zwangsweise Ausreise.

Dass der Flug für diesen Tag ausgesetzt werden musste, bedeutete für die Behörde jedoch nicht, Gabrieljan wieder zu seiner Familie zu lassen. Der Armenier sitzt noch im Gefängnis an der Holstenglacis. Heute entscheidet ein Haftrichter, ob der Familienvater in Abschiebehaft bleibt. Der Petitionsauschuss berät am Montag über den Fall.

GAL-Obmann Mahmut Erdem bezeichnete sich als "sprachlos" über das Vorgehen der Behörde: "Die zieht ihr Ding durch, ohne auf politische Vereinbarungen zu achten". Amtssprecher Norbert Smekal sagte, dass Familien zwar grundsätzlich nicht mehr getrennt werden dürfen - in Einzelfällen aber doch. ee