Aachener Zeitung, 26.10.2000

Asyl-Drama: Hüseyin Calhan bricht den Hungerstreik ab

Aachen. Hüseyin Calhan hat am Montag seinen 14-tägigen Hungerstreik im Abschiebegefängnis Büren beendet. Die Angst vor dauerhaften körperlichen Schäden, erklärte Hermann-Josef Diepers vom Flüchtlingsplenum nach einem Telefonat mit dem Kurden am Mittwoch, habe ihn zu diesem Schritt bewogen.

Unabhängig davon und kurz vorher habe der zuständige Amtsarzt aus Paderborn den 27-Jährigen am Montagmorgen untersucht. Sein Gutachten über die psychische Verfassung Calhans und dessen Reisefähigkeit stand laut Mitteilung des Pressesprechers für den Kreis Wesel, Gerhard Patzelt, am Mittwoch noch aus. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf kann Calhan nicht abgeschoben werden, bevor der medizinische Bericht den zuständigen Behörden in Wesel vorliegt.

Radiomeldungen, das Paderborner Gesundheitsamt habe sich geweigert, eine Diagnose zu erstellen, bevor der Häftling seinen Hungerstreik nicht beendet habe, wies eine Pressesprecherin des Kreises Paderborn (dem die Gemeinde Büren angehört) gegenüber der AZ mit allem Nachdruck zurück.

Empört zeigte sich Diepers darüber, dass Calhan bei der Untersuchung zwar einen Dolmetscher habe hinzuziehen dürfen, aber nicht - wie zuvor zugesagt - eine Person seines Vertrauens. Zudem handele es sich bei dem besagten Amtsarzt nicht um einen ausgebildeten Psychiater. Er sei im Übrigen für die Abschiebung von Calhans Landsmann und Mitstreiter im Wanderkirchenasyl Wuppertal, Mehmet Kilic, mit verantwortlich.

Kilic war, wie berichtet, am Dienstag in Begleitung eines Arztes abgeschoben worden. Er befand sich ebenfalls seit knapp zwei Wochen im Hungerstreik, seit einer Woche hatte er laut Diepers nicht einmal mehr Flüssigkeit zu sich genommen. Die täglichen Mahnwachen für Calhan würden fortgesetzt.

Auch die katholische Friedensinitiative «Pax Christi» hat sich unterdessen nachdrücklich für eine Duldung Calhans eingesetzt. Und die Bundestagsabgeordnete Ulla Schmidt appellierte nochmals an NRW-Innenminister Fritz Behrens, den «Fall Calhan» gründlich und wohlwollend zu prüfen, da der Kurde als exponierter Vertreter des Wanderkirchenasyls in seiner Heimat besonders gefährdet sei.

«Zwar bin ich wie Sie der Meinung, dass das Wanderkirchenasyl nicht pauschal ein Bleiberecht nach sich ziehen kann und dass es sich keinesfalls zu einem 'alternativen Asylverfahren' entwickeln darf», schreibt Schmidt unter anderem, «ich appelliere jedoch an Sie, dass der Schutz des Bürgers Calhan vor politischer Verfolgung vor diesen theoretischen Erwägungen Vorrang haben muss».

Diepers erklärte, Calhan habe sich am Mittwochmorgen telefonisch im Büro des Aachener Oberbürgermeisters gemeldet, um den OB zu bitten, ihn in der JVA Büren persönlich aufzusuchen.