Financial Times Deutschland, 26.10.2000

Bundeskanzler Schröder will in Nahost nicht vermitteln

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will nach Angaben aus Regierungskreisen bei seiner am Samstag beginnenden Nahostreise nicht als Vermittler auftreten.

Er werde auch nicht als Überbringer von Forderungen unter den Konfliktparteien fungieren, hieß es am Mittwoch in den Kreisen mit Blick auf Äußerungen von Israels Ministerpräsident Ehud Barak.

Dieser hatte Schröder aufgefordert, seinen Einfluss auf Palästinenserchef Jassir Arafat zu nutzen, damit dieser die Gewalt einstelle. In den Kreisen hieß es, Schröders lange geplante fünftägige Reise solle ein "kleiner Beitrag" zu den Friedensbemühungen sein. Schröder reist nach Ägypten, Libanon, Jordanien, Syrien, Israel und die palästinensischen Gebiete.

Fischer gegen einseitige Ausrufung eines Palästinenserstaates

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hat sich unterdessen gegen die einseitige Ausrufung des Staates Palästina durch die Palästinenser gewandt. "Wir stehen ein für die legitimen Interessen des palästinensischen Volkes einschließlich eines eigenen Staates", sagte Fischer am Mittwoch im Bundestag. Dies könne aber nur im Frieden geschehen, "nicht in der Konfrontation". "Entscheidend wird sein, dass die Gewalteskalation durchbrochen wird", hob der Minister hervor.

Der Bundestag hat die Konfliktparteien im Nahen Osten eindringlich zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgerufen. Israelis und Palästinenser müssten trotz der heftigen Gewaltausbrüche über ihren eigenen Schatten springen und einen fairen Ausgleich anstreben, erklärten Sprecher aller Parteien am Mittwoch im Plenum.

Die Reise des Kanzlers sei eng mit Frankreich, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, und mit den USA abgestimmt, hieß es aus Regierungskreisen. Es gebe keine rein deutsche Nahost-Politik, allerdings könne es eine europäische Rolle im Nahen Osten geben, da die Bedeutung Europas in der Region wachse. Dies habe die Teilnahme des außenpolitischen EU-Repräsentanten Javier Solana am Gipfel der Konfliktparteien im ägyptischen Scharm el-Scheich gezeigt.