Süddeutsche Zeitung, 26.10.2000

Schröder reist ins "Minenfeld" Nahost

Von Kurt Kister

Berlin - Die bevorstehende Reise von Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Nahen Osten wird im Umkreis des Kanzlers als "eine schwierige Mission bezeichnet, die in "eine Art diplomatisches Minenfeld" führe. Schröder werde, heißt es im Kanzleramt, auf keinen Fall eine Vermittlerrolle einnehmen. Es gehe vielmehr darum, die "Stimmen der Vernunft" in der Region zu stärken. Von einer weiteren Eskalation, so sagt ein Kanzlerberater, wäre nicht nur der Nahe Osten, sondern auch Europa in seinen politischen und wirtschaftlichen Interessen betroffen. Dies wolle Schröder seinen Gesprächspartnern in Israel, Ägypten, Jordanien, Syrien, dem Libanon und den Palästinensergebieten verdeutlichen. Trotzdem aber wolle man auch feststellen, wie Europa die USA bei ihrem Versuch, den Friedensprozess im Gang zu halten, unterstützen könne. Allerdings sei auch klar, hieß es im Kanzleramt, dass es keine deutsche, sondern nur eine europäische Nahost-Politik gebe.

Schröder wird am Samstag nach Kairo fliegen. Nach dem Aufenthalt in Ägypten sind Gespräche in Beirut geplant; Schröder ist der erste Bundeskanzler, der den Libanon besucht. In Jordanien trifft Schröder König Abdallah, bevor er am Dienstag, wiederum als erster Kanzler, in die syrische Hauptstadt Damaskus reisen wird. Am Schluss der Visite steht ein Besuch in Israel und im palästinensischen Autonomiegebiet. Im Kanzleramt war wegen der explosiven Situation in Israel bis zuletzt eine Verschiebung der Reise diskutiert worden. Dem Vernehmen nach gab es bei mehreren Treffen intensive Debatten zwischen den engeren Mitarbeitern Schröders. Weil man die zu bereisenden Länder nicht habe "enttäuschen" wollen und weil es gerade jetzt auf ein Signal ankomme, halte der Kanzler an der Reise fest. Man sei darin durch viele Telefonate bestärkt worden, in denen von Kairo über Jerusalem bis nach Washington alle Parteien Schröders Visite unterstützt hätten.