junge Welt, 23.10.2000

»Intifada bis zum Sieg«

Arabische Liga verurteilt Israel. Palästinenser wollen Aufstand fortsetzen.

Von Rüdiger Göbel

Als »entschiedenes sowohl als auch« ließe sich die Res olution des Sondergipfels der Arabischen Liga am Sonntag über den Konflikt im Nahen Osten werten. Wie erwartet wurde in der ägyptischen Haupstadt zwar Israels Aggressionspolitik der vergangenen Wochen verurteilt, unmittelbare Konsequenzen hat dies allerdings nicht. Israel habe »den Friedensprozeß in einen Krieg gegen das palästinensische Volk« umgewandelt und damit allein die »verschärften Spannungen und die Gewalt in der Region« verschuldet, heißt es in der Schlußerklärung der verbliebenen 21 Mitglieder der arabischen Organisation. Libyens Vertreter war aus Protest gegen die halbherzige Haltung der arabischen Staaten gegenüber Israel am Samstag vorzeitig aus Kairo abgereist. Der Abbruch bestehender Beziehungen sei das Mindeste, was die arabische Welt nach drei Wochen der Gewalt und mehr als 120 getöteten Palästinensern tun könne, so die Delegation aus Tripolis.

Zwar wird in der Entschließung der Arabischen Liga der jüdische Staat »für alle Schritte« verantwortlich gemacht, »die im Hinblick auf die Beziehungen arabischer Staaten zu Israel unternommen werden, einschließlich ihres Abbruchs«, explizit gefordert wird dieser aber gerade nicht. Die Reden des Gipfels wurden in allen arabischen Ländern live übertragen, ob des realiter dürftigen Ergebnisses allerdings zumeist eher reserviert aufgenommen. Unmittelbar nach Gipfelende am Sonntag gab einzig Tunesien die Schließung seiner Vertretung in Israel bekannt und forderte Israel auf, seinerseits das Büro in Tunis zu schließen.

Die israelische Führung reagierte dennoch prompt. Mit Verweis auf Kairo schlug Ministerpräsident Ehud Barak seinem Kabinett vor, eine »Auszeit« im sogenannten Friedensprozeß zu nehmen. Daß der Nahost-Konflikt kein Baseballspiel ist, demonstrierte die israelische Armee erneut am Wochenende. Am Sonntag wurde im Gazastreifen wieder ein 14jähriger Palästinser erschossen. Bereits am Vortag hatten israelische Soldaten bei Auseinandersetzungen mit Jugendlichen im Westjordanland vier Palästinenser getötet und mehr als 100 verletzt.

Das israelische Kabinett beriet am Sonntag die Möglichkeit einer »einseitigen Trennung« von den Palästinensern, den Bau einer militärisch gesicherten Mauer mit eingeschlossen. Allerdings würde mit einem Betonwall zwischen Israelis und Palästinensern die Apartheid-Politik Tel Avivs international deutlich vor Augen geführt werden. Eine direkte Umsetzung des Vorschlages ist daher eher unwahrscheinlich. Der palästinensische Minister für regionale Zusammenarbeit, Nabil Schaath, sagte, Israels Premier Barak habe sich damit endgültig für Krieg und Aggression entschieden. Palästinenserunterhändler Sajeb Erakat erklärte die Entscheidung Barak zum »Stopp der Verhandlungen« zur »Ohrfeige für die arabische Welt«. Er gehe davon aus, daß Israel nun weiter »die Sprache der Stärke und der Arroganz« sprechen und seine »Aggression gegen das palästinensischen Volk« fortsetzen werde. »Ohne eine Friedensvision, die beiden Völkern in dem kleinen Land eine reale Chance auf Würde und Gerechtigkeit bietet, wird es auch für die Israelis keine Sicherheit und Zukunftsperspektive geben. Und die Sicherheit von Palästinensern ist kein geringeres Gut als die Sicherheit von Israelis«, protestierte die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft gegenüber junge Welt. »Nur ein sofortiges Ende der Besatzung, ein Ende der zahllosen Demütigungen der Palästinenser« könnten das »Tor in eine gemeinsame Zukunft öffnen«.

Bereits am Freitag (Ortszeit) hatte die UN- Vollversammlung auf einer Sondersitzung das Vorgehen Israels verurteilt. Mit einer Mehrheit von 92 zu sechs Stimmen verabschiedeten die Mitglieder der Vereinten Nationen eine Resolution, in der Israel »exzessiver Gebrauch von Gewalt« vorgeworfen wird. 46 Länder enthielten sich der Stimme.

Deutlicher waren die gut 6 000 Demonstranten, die am Samstag in Berlin gegen die anhaltende Gewalt gegen »palästinensische Kinder und ugendliche« demonstrierten. Israel ist »die größte Terrororganisation der Welt«, hallte es lautstark durch den Prachtboulevard Unter den Linden im Osten der deutschen Hauptstadt. Die Zeit für Verhandlungen und Gipfeltreffen ist für die meisten Protestteilnehmer abgelaufen. »Intifada bis zum ieg« lautete ihre Lösung für die schwierige Situation.