Stuttgarter Zeitung 21.10.2000

Verheugens Perspektiven

Klare Sprache

Die Erweiterung der Europäischen Union ist kein fernes Zukunftsprojekt. Immer mehr Politiker im Westen haben sich jetzt auf das Datum 2005 festgelegt. Das scheint eine realistische Perspektive zu sein. Viel später kann die Erweiterung auch nicht erfolgen. Schließlich haben Präsidenten und Kanzler im Westen lange das Jahr 2000 im Auge gehabt und entsprechende Versprechen gegeben. Dann ist man auf das Jahr 2003 gegangen, jetzt ist man bei 2005 gelandet. Sollte dieses Datum wiederum nicht eingehalten werden, macht man sich selbst unglaubwürdig. Das ist den Politikern in der Europäischen Union inzwischen klar geworden. Ebenso klar ist inzwischen, dass auch der bei weitem größte Beitrittskandidat, Polen nämlich, auf jeden Fall in der ersten Runde der Erweiterung dabei sein wird. Alles andere verbietet sich von selbst. Insofern zeichnet sich jetzt ab, dass in den nächsten fünf Jahren die Europäische Union reformiert und dass sie um zehn neue Mitglieder einschließlich Polens erweitert wird. Das hat Günter Verheugen, der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar, öffentlich bestätigt.

Erfreulich ist Verheugens Klarheit auch gegenüber der Türkei. Der EU-Gipfel in Helsinki hat die Türkei zwar zu einem offiziellen Beitrittskandidaten ernannt, was in der Türkei großen Jubel ausgelöst hat. Verheugen hat jetzt aber betont, dass die Türkei die Kriterien für die Aufnahme von Verhandlungen noch nicht erfüllt habe. Das hat selbst der türkische Regierungsvizechef Yilmaz eingeräumt. Bisher ist in der Türkei zwar vieles angekündigt, aber nichts verändert worden. Deshalb steht die Aufnahme von Beitrittsgesprächen, geschweige denn ein Beitritt der Türkei, noch in den Sternen. Von Adrian Zielcke