Frankfurter Rundschau 21.10.2000

Scharfe Verurteilung Israels knapp angenommen

Arabische Liga setzt sich in Menschenrechtskommission durch / Israel weist Beschluss zurück

Von Pierre Simonitsch

Mit einer knappen Mehrheit hat die UN-Menschenrechtskommission Israel wegen der jüngsten Ereignisse in den besetzten Gebieten scharf verurteilt.

GENF, 20. Oktober. Nur 19 der 53 Kommissionsmitglieder unterstützten in der Nacht zum Freitag einen von der Arabischen Liga eingebrachten Resolutionsentwurf. 17 Staaten stimmten dagegen, weitere 17 enthielten sich der Stimme. Die arabischen und islamischen Staaten erzielten damit in der Menschenrechtskommission das bisher schlechteste Ergebnis bei einer Abstimmung über die Palästinafrage. Westliche Konferenzteilnehmer machen dafür den äußerst scharf abgefassten Text verantwortlich, den die meisten Staaten nicht unterschreiben konnten. Selbst Russland enthielt sich der Stimme.

Die Resolution verurteilt die israelische Besatzungsmacht wegen der "unverhältnismäßigen und wahllosen Anwendung von Gewalt gegen unschuldige und unbewaffnete palästinensische Zivilisten, die 120 Todesopfer forderte, darunter viele Kinder". Diese Gewaltanwendung stelle "eine flagrante und schwere Verletzung des Rechts auf Leben sowie ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar", heißt es in dem Text. Israel wird darin auch beschuldigt, Massenmorde und kollektive Bestrafungen zu verüben.

Die internationale Gemeinschaft wird aufgefordert, durch sofortige wirksame Maßnahmen die von der israelischen Besatzungsmacht angewandte Gewalt zu beenden. In der Erklärung wird zudem der Besuch der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, in der Region und die Einsetzung einer zweiten internationalen, neutralen Untersuchungskommission gefordert, meldet epd. Ihre Aufgabe sei, Informationen über Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch die Israelis in den besetzten palästinensischen Gebieten zu sammeln. Dem Antrag der Arabischen Liga auf Einberufung einer Sondersitzung der Menschenrechtskommission hatten 47 der 53 Mitglieder zugestimmt, darunter die EU-Staaten. Die Verhandlungen über eine ausgewogene Resolution, die im Konsens hätte angenommen werden können, endeten aber in einer Sackgasse.

Die EU hatte sich auf eine Haltung geeinigt, die auf drei Elementen gründete: der Resolution des UN-Sicherheitsrats, den Vereinbarungen von Scharm-el-Scheich sowie einer Erklärung von Robinson. Die EU bot an, Israel wegen des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt zu verurteilen und die Provokation des Likud-Führers Ariel Sharon zu tadeln. Die arabische Seite war aber zu keiner substanziellen Änderung des Entwurfs bereit.

Israel hat die Resolution umgehend zurückgewiesen. Anders als die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats sind die Resolutionen der Menschenrechtskommission nicht bindend.