Frankfurter Rundschau, 20.10.2000

Guben-Anwälte wollen Freispruch

Tod eines Algeriers nach Hetzjagd "war tragisches Unglück"

Die Verteidigung hat für einen als Haupttäter geltenden Angeklagten im Hetzjagd-Prozess von Guben Freispruch gefordert. Angeklagt sind elf Männer wegen des Todes des Algeriers Omar Ben Noui. Der Asylbewerber war 1999 nach einer Hatz rechter Jugendlicher in Todesangst durch eine Scheibe gesprungen und verblutet.

COTTBUS, 19. Oktober (ap/dpa). Die Verteidigung eines der mutmaßlichen Haupttäter im Cottbusser Prozess und zwei weitere Anwälte beantragten am Donnerstag vor dem Landgericht, ihre Mandanten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung, gefährlichen Körperverletzung und Volksverhetzung freizusprechen. Der Tod des Algeriers sei ein "tragisches Unglück" gewesen, erklärte einer der Verteidiger. Die Angeklagten seien 40 Meter von Ben Noui entfernt gewesen. Sie treffe keine Schuld. Ben Noui habe "nicht unbegründet Angst" gehabt, "aber vor der Polizei", sagte der Anwalt. Als "unverschämt" wies die Nebenklage Anspielungen der Verteidiger auf extremistische Tätigkeit oder möglichen Sozialbetrug der Opfer zurück. Die Jugendlichen hatten laut Anklage die beiden Algerier und einen Afrikaner mit Autos durch Guben gejagt.

Sein Mandant sei weder an der Körperverletzung des zweiten Algeriers beteiligt gewesen, noch habe er mit dem Vorsatz gehandelt, Ausländer zu töten, erklärte der Verteidiger eines Hauptangeklagten. Der 21-Jährige habe lediglich zuvor die Scheiben eines asiatischen Restaurants und Ladens eingeworfen. Dafür sei ihm eine Auflage zu erteilen. Eine Anwältin erklärte, ihr zur Tat 17-jähriger Mandant habe nur in einem der Fahrzeuge gesessen und sei mit den Älteren mitgelaufen: "Es konnte nicht seine Aufgabe sein, die anderen am Aussteigen und Angreifen zu hindern."

Der Verteidiger eines dritten Angeklagten sagte, sein Mandant sei erst kurz vor der Hatz betrunken dazugestoßen. Zwar habe er "Ausländer raus" und "Türken raus" gegrölt. Dies sei jedoch "keine Volksverhetzung". Mit diesen Plädoyers haben bereits die Anwälte von vier der elf Angeklagten Freisprüche gefordert. Der Staatsanwalt hatte sechs Bewährungsstrafen und fünf Jugendstrafen zwischen 14 Monaten und dreieinhalb Jahren beantragt.

Das Amtsgericht im sächsischen Sondershausen verurteilte derweil in einem Eilverfahren mehrere Skinheads im Alter zwischen 22 und 28 Jahren zu Haft- und Bewährungsstrafen. Zwei von ihnen sollen drei und acht Monate in Haft. Sie hatten T-Shirts mit NS-Symbolen getragen und sind bereits wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft.

In Rostock griffen zwei Jungen im Alter von zwölf und 13 Jahren eine 76-Jährige an, weil sie die beiden wegen "Heil-Hitler"-Rufen zur Rede gestellt hatte. Als die Frau weitergehen wollte, trat ihr einer der beiden in den Rücken.

In Sachsen riefen Landtag und Landesregierung für den 62. Jahrestag der antijüdischen Pogrome am 9. November zu einer Großkundgebung in Dresden auf.