junge Welt, 20.10.2000

Interview

Wie gut spricht man bei der Lufthansa Englisch?

jW sprach mit der Münchner Rechtsanwältin Gisela Seidler, die bei der Kampagne »kein mensch ist illegal« aktiv ist

F: Die Lufthansa ist anwaltlich gegen die Plakataktion »deportation lass« der Kampagne »kein Mensch ist illegal« vorgegangen und hat eine Frist gesetzt, die Plakate aus dem Internet zu nehmen. Diese Frist ist inzwischen verstrichen. Ist die Sache damit jetzt ausgestanden?

Das Vorgehen richtete sich gegen die »Kölner Stadtrevue«, auf deren Online-Ausgabe die Plakate zu sehen waren. Der Zeitung und einer Einzelperson wurden von den Anwälten der Fluglinie Abmahnungen zugeschickt. Die Papierausstellung, die sich im Augenblick in Österreich befindet, wurde nicht beanstandet. Es ist daraufhin eine Stellungnahme abgegeben worden, daß die Stadtrevue und diese Einzelperson nicht daran denken, diese Unterwerfungserklärung abzugeben. Bisher ist nichts passiert, aber das heißt noch lange nicht, daß das ausgestanden ist.

F: Wie hat die Lufthansa denn argumentiert?

Ganz merkwürdig. Es hieß, sie würden dort in eine faschistische Ecke gestellt werden, weil »deportation« nach dem deutschen Wort Deportation klinge und Deportation eindeutig einen Vergleich mit den Verschleppungen im NS- Regime anstelle.

F: »Deportation« heißt auf Englisch aber Abschiebung...

Ja, genau, und genauso wie die Fluggesellschaften immer on »deportiv« sprechen, wenn sie Menschen meinen, die abgeschoben werden, ist das ein völlig gebräuchlicher Begriff.

F: Nun ist der Streit zwischen der Kampagne und der Lufthansa nur ein Aspekt, denn dem Problem liegt die Abschiebepolitik der Bundesregierung zugrunde. Gibt es von dieser Seite Gesprächsbereitschaft?

Nein. Es gibt angeblich Verhandlungen zwischen der Lufthansa und dem Innenministerium. Wir vermuten aber, daß es dabei eher darum geht, wie man die Kampagne mundtot machen kann und nicht darum, tatsächlich den Ausstieg aus dieser Praxis zu schaffen. Ich halte den Streit aber nicht für unerheblich, denn wir haben sehr viele Erfolge zu verzeichnen.

F: Das Problem der Abschiebepolitik kann aber nicht zwischen der Kampagne und der Lufthansa gelöst werden.

Das ist richtig, es geht darum, auf politischer Ebene das Thema Abschiebepraxis aufzugreifen. Es geht auch darum, von den ewigen Einzelfällen wegzukommen und die Abschiebepraxis ganz generell zu kritisieren. Mit der Aktion »deportation class« ist uns das, denke ich, sehr schön gelungen.

F: Wie wird die Kampagne mit diesem konkreten Fall, aber auch mit der Arbeit gegen die praktizierte Abschiebepolitik umgehen?

Wir lassen uns auf keinen Fall einschüchtern, das ist klar. Die Ausstellung wird weiter gezeigt, und wir werden den juristischen Streit ausfechten und wohl auch gewinnen, weil hier sowohl Meinungs- als auch Kunstfreiheit tangiert sind. Und weil das sehr hohe Rechtsgüter sind, gehen wir davon aus, daß unsere Chancen gut stehen. Ansonsten sind zum Tag der Menschenrechte im Dezember wieder Aktionstage geplant. Wir haben im Vorfeld aus dem Ausland sehr viele Anfragen von Internetanbietern erhalten, diese Ausstellung im Internet zu übernehmen. Auch soll das nächste Grenzcamp von »kein mensch ist illegal« am Frankfurter Flughafen stattfinden, um die Grenze dort zu thematisieren. Und in diesem Zusammenhang wird natürlich auch die Kampagne gegen die Lufthansa eine große Rolle spielen.

F: Die Kampagne »kein mensch ist illegal« wendet sich ja auch an das Flugpersonal. Gibt es denn von den gewerkschaftlichen Kreisen dort eine Stellungnahme zu dieser Abschiebepolitik?

Es gab schon mal vor einigen Jahren von der ÖTV eine Stellungnahme, in der sie die Abschiebepraxis verurteilte. Auf dem kommenden Gewerkschaftstag soll dieses Thema auch wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Es soll eine Aufforderung geben, gegen die Abschiebungen mit Passagierflugzeugen zu protestieren. Gewerkschaftskreise sind an uns herangetreten und haben sich Informationen besorgt. Wir sind gespannt, was die daraus machen.

Interview: Harald Neuber