junge Welt, 20.10.2000

»Deportation-Class« bleibt

Kampagne »kein mensch ist illegal« wehrt sich gegen Druck der Lufthansa

Die Kampagne »kein mensch ist illegal« hat sich dem Druck der Lufthansa nicht gebeugt. Am vergangenen Montag lief ein Ultimatum ab, das der Luftfahrtkonzern den Gegnern der menschenunwürdigen Abschiebepolitik gestellt hatte: Anwälte des Luftfahrtkonzerns hatten von einem Aktivisten der Kampagne sowie der »Kölner Stadtrevue« gefordert, bis zum 16. Oktober eine »Unterwerfungserklärung« zu unterzeichnen und sich darin zu verpflichten, eine Plakatausstellung einzustellen, die sich unter anderem auch auf Webseiten der Stadtillustrierten Kölner Stadtrevue befindet. Die inkriminierten Plakate werden seit Mai sowohl im World Wide Web (www.stadtrevue.de/kmii/frame/pla00.htm) als auch im Rahmen einer Wanderausstellung präsentiert und befinden sich zur Zeit im Kunsthaus Exnergasse in Wien. Künstler aus ganz Deutschland hatten sich Anfang des Jahres an einem Plakatwettbewerb beteiligt, den »kein mensch ist llegal« ausgeschrieben hatte, um sich kritisch mit der Rolle der Lufthansa AG bei Abschiebungen auseinanderzusetzen.

In einem am 9. Oktober eingegangenen Schreiben behaupten die Anwälte der Lufthansa AG, die Verwendung der für ihren Mandanten typischen Farben und seines eingetragenen Warenzeichens sei rechtswidrig. Als Streitwert wurde eine Viertelmillion Mark festgesetzt. Bei »Zuwiderhandlung« drohen den Beklagten jeweils 10 100 Mark Vertragsstrafe. Für Jan Hoffmann, Sprecher von »kein mensch ist illegal«, stellt diese Drohung einen leicht zu durchschauenden Einschüchterungsversuch und einen »dreisten Angriff auf die Freiheit der Kunst« dar.

Mit zahlreichen Aktionen auf Flughäfen, in Reisebüros und im Internet macht »kein mensch ist illegal« seit einiger Zeit dem Konzern zu schaffen. Unter dem provokativen Slogan »Deportation-Class - Gegen das Geschäft mit Abschiebungen« fordern die Aktivisten, daß die Lufthansa diesen »Geschäftsbereich« aufgibt und keine Zwangspassagiere mehr befördert. Anlaß für die Aktionen, die große öffentliche Aufmerksamkeit fanden, war der Tod des Sudanesen Aamir Ageeb, der im Mai 1999 an Bord einer Lufthansa-Maschine gewaltsam zu Tode gekommen war. Im Juni 2000 kam es auch auf der jährlichen Aktionärsversammlung der Lufthansa AG zu heftigen Protesten. Doch trotz entsprechender Zusagen von Lufthansa-Chef Weber hat es nach Informationen von »kein mensch ist illegal« keine Vorstöße der Lufthansa bei der Bundesregierung gegeben, aus den Deportationen auszusteigen. Gerade in den letzten Monaten sei es bei mehreren sogenannten Problem-Abschiebungen vermehrt zu Schwierigkeiten gekommen sei, so daß die Aktionen wiederholt abgebrochen werden mußten.

»kein mensch ist illegal« kündigte an, die Abschiebepraxis des Konzerns auch auf internationaler Ebene noch intensiver zu beobachten und den Konzern weiter unter Druck zu setzen. Gleichzeitig sollen Flüchtlinge über ihre Möglichkeiten, Widerstand gegen ihre Abschiebung zu leisten, informiert werden.

Zur Unterstützung der vom Verbot bedrohten Ausstellung ist inzwischen eine internationale Allianz ins Leben gerufen worden. Nur wenige Stunden, nachdem das anwaltliche Schreiben der Lufthansa eintraf, haben sich Dutzende von Internetprovidern, vor allem in Nordamerika, spontan bereit erklärt, der Ausstellung »politisches Asyl« zu gewähren. »Der Konzern muß die Abschiebungen in der Deportation.Class stoppen - nicht die usstellung!« faßt Jan Hoffman die Position der Kampagne zum jetzigen Stand der Auseinandersetzung mit der Lufthansa zusammen.

(jW)

*** Weitere Informationen: http://www.deportation- alliance.com/lh