Financial Times Deutschland, 20.10.2000

Israelis und Palästinensern fällt Entspannung schwer

Israel hat den Palästinensern vorgeworfen, die Vereinbarungen des Krisengipfels von Scharm el Scheich nicht in allen Aspekten zu erfüllen. Die israelische Sicherheitskräfte befürchten nun Anschläge in Tel Aviv oder Jerusalem.

Er verfüge über "ernstzunehmende Informationen", denen zufolge ein palästinensisches Terrorkommando in den beiden Großstädten ein Attentat begehen könnte, sagte Innenminister Schlomo Ben Ami am Donnerstag im israelischen Militärrundfunk. Die Gewalt in den Palästinenser-Gebieten ging am Donnerstag unverändert weiter, berichten Beobachter. In Nablus wurde ein Palästinenser bei Auseinandersetzungen mit Israelis getötet. Syrien und Libanon forderten vom Gipfel der Arabischen Liga am Wochenende in Kairo ein Ende der Normalisierung der Beziehungen zu Israel.

Ben Ami, der auch als Interims-Außenminister fungiert, warf den palästinensischen Autonomiebehörden vor, die Vereinbarung vom Dienstag zur Beendigung der Gewalt auf "zweifelhafte Weise" umzusetzen. Vor allem die bewaffneten Kämpfer der Fatah-Organisation von Palästinenser- Präsident Jassir Arafat verletzten die Vereinbarung, sagte Ben-Ami. Die Palästinenser-Regierung lasse dies entweder absichtlich zu oder verschließe zumindest die Augen davor, sagte der Minister. Die Fatah-Kämpfer, die in den Auseinandersetzungen der vergangene Wochen an vorderster Front standen, verletzten darüber hinaus jene Abkommen, die seit 1993 zwischen Israel und den Palästinensern abgeschlossen worden seien.

Die palästinensische Führung ordnete an, die Waffenruhe strikt einzuhalten. Zudem wurden einige der militanten Extremisten, die in der vergangenen Woche aus der Haft entlassen wurden, wieder festgenommen. Geplant waren zudem Gespräche zwischen den Sicherheitsdiensten beider Seiten unter Leitung eines Vertreters des US-Geheimdienstes CIA.

Der Palästinenser wurde nach Angaben eines Krankenhauses in der Nähe der autonomen palästinensischen Stadt Nablus von israelischen Siedlern erschossen. Bereits am Mittwochabend war in Jordanien ein bei den Unruhen der vergangenen Wochen verletzter Palästinenser gestorben. Damit wurden bei den gewalttätigen Unruhen der vergangenen drei Wochen wurden mindestens 113 Menschen getötet, vor allem Palästinenser.

Waffenstillstand wird weiter umgesetzt

Am Donnerstagmorgen startete ein erstes Flugzeug vom palästinensischen Flughafen in Gaza, nachdem Israel am Dienstagabend die Wiedereröffnung des seit dem 8. Oktober geschlossenen Flughafens genehmigt hatte. Auch der Grenzübergang Karni im Gazastreifen wurde wieder geöffnet. In Hebron, der größten Stadt im Westjordanland, wurden mehrere Straßensperren aufgehoben und die Ausgangssperre gelockert. Mit dem Abbau einer Straßensperre bei Ramallah erfüllte Israel eine weitere Bedingung des Abkommens vom Dienstag.

Bei einer Explosion in Bethlehem starben zwei Angehörige der palästinensischen Sicherheitskräfte. Ein israelischer Armee-Sprecher sagte, ihm sei von palästinensischen Behörden mitgeteilt worden, dass in dem Gebäude Propangasflaschen explodiert seien. Mehrere Menschen wurden schwer verletzt, wie Krankenhäuser der Stadt weiter mitteilten. Die Explosion ereignete sich im Sitz der "Force-17" genannten Truppe, die für den Schutz von Palästinenserpräsident Jassir Arafat verantwortlich ist.

Arabische Liga will Beziehungen einfrieren

Der libanesische Ministerpräsident Salim Hoss, der auch das Amt des Außenministers innehat, kündigte bei dem vorbereitenden Treffen der Außenminister für den Gipfel der Arabischen Liga in Kairo an, er werde den sofortigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel fordern. Zudem wolle er den Staats- und Regierungschef bei ihrem Nahostgipfel am Samstag und Sonntag vorschlagen, die Wirtschaftsbeziehungen zu Israel einzufrieren und ein Boykott über das Land zu verhängen. Auch Syriens Außenminister Faruk el Schara forderte, die Normalisierung der Beziehungen zu Israel auszusetzen.

In Jerusalem sagte ein enger Berater von Ministerpräsident Ehud Barak, Danny Jatom, er hoffe auf den "mäßigenden Einfluss" Ägyptens bei dem Gipfel. Jatom begrüßte die Äußerung des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, der am Mittwoch im ägyptischen Fernsehen einen Krieg gegen Israel ausgeschlossen hatte.