web.de, 20.10.2000 00:56

Menschenrechtskommission der UN verurteilt Israel

Europäische Staaten und USA stimmen dagegen - Israel kritisiert Entschließung als einseitig Genf (AP)

Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen hat Israel wegen der Anwendung «weit verbreiteter, systematischer und grober Menschenrechtsverletzungen» verurteilt. Auf einer Sondersitzung in Genf beschloss das Gremium am späten Donnerstagabend ferner, die seit drei Wochen andauernde Gewalt in den palästinensischen Autonomiegebieten von einer internationalen Kommission untersuchen zu lassen. Die von arabischen Staaten eingebrachte Resolution wurde mit 19 gegen 16 Stimmen bei 17 Enthaltungen angenommen. Eine Delegation der 53 Mitgliedsländer war abwesend.

Mit der Resolution wird die Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson aufgefordert, persönlich in das Krisengebiet zu reisen. In dem Text wird der «provokative Besuch» des israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon am 28. September auf dem Tempelberg verurteilt. Danach kam es zu den Unruhen, bei denen inzwischen über 100 Menschen, der überwiegende Teil Palästinenser, getötet wurden.

Der israelische Botschafter Jaakov Levi kritisierte die Resolution als «parteiisch, einseitig und aufhetzend». Sie sei in einer Sprache abgefasst, die den Boden für weitere Spannungen bereite, sagte er vor Journalisten. Diese und andere jüngst verabschiedete UN-Resolutionen seien ein Signal für jene, die die Gewalt schürten, damit fortzufahren, weil Israel sich in der Defensive befinde. Levi äußerte sich nicht dazu, ob die Regierung mit der Untersuchungskommission zusammenarbeiten werde. Er sagte aber, es habe den Anschein, als ob die Ergebnisse bereits feststünden.

Auch die USA kritisierten die Resolution als aufstachelnd und einseitig. Neben den USA stimmten auch alle europäischen Staaten in der Menschenrechtskommission gegen den Text. Der französische Botschafter Philippe Petit äußerte im Namen der EU-Staaten seine Enttäuschung über das Abstimmungsergebnis. Dagegen begrüßte der Vertreter der Palästinenser, Nabil Ramlawi, die Entschließung. Er wies die Einschätzung zurück, die Resolution könnte die Ergebnisse des Krisengipfels in Ägypten Anfang der Woche gefährden. Alle Schritte der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung der Palästinenser in ihrem Kampf gegen die israelische Besetzung könnten nur helfen, sagte er. Er habe den Eindruck, Israel wolle keinen Frieden.

Der Abstimmung über die Resolution waren stundenlange Verhandlungen vorausgegangen, in denen sich Vertreter der arabischen und der europäischen Staaten vergeblich um einen Kompromissentwurf bemühten. Es war erst die fünfte Sondersitzung in der Geschichte der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Erst kürzlich hatte der Weltsicherheitsrat Israel wegen übertriebener Gewaltanwendung gegen die Palästinenser verurteilt. Die USA blockierten die Entschließung nicht mit einem Veto, enthielten sich aber der Stimme, nachdem sie einige Änderungen erreichen konnten. Am Mittwoch begann die UN-Vollversammlung eine Sondersitzung über das israelische Vorgehen in den Autonomiegebieten. Dem Gremium liegt ebenfalls ein Entschließungsantrag zur Verurteilung Israels vor. Die Sitzung soll am (heutigen) Freitag in New York fortgesetzt werden.