Westdeutsche Zeitung, 19.10.2000

Scherben gegen Polizisten?

Von Marion Kobbe

Düsseldorf. Ein Ende der Kurden-Prozesse ist nun doch noch nicht abzusehen. Jetzt verhandelte die IV. Kammer des Landgerichts (Staatsschutz) unter ihrem Vorsitzenden Richter Rudolf Wolff erstmals gegen einen Mann, der in Untersuchungshaft sitzt. Er soll laut Anklage Scherben auf einen Polizisten geworfen haben.

Es war dies das zehnte Verfahren gegen jene Kurden, die am 16. Februar vorigen Jahres das griechische Konsulat an der Kaiserstraße gestürmt und stundenlang besetzt hatten.

Die ersten neun Prozesse waren seit dem Auftakt der Serie am 4. Januar überaus zügig verhandelt worden: Bis zum 5. April waren bereits neun Angeklagte abgeurteilt. Beim Zehnten hat es insofern länger gedauert, als erst noch der Aufenthaltsort des Mannes ermittelt werden musste. Er wurde schließlich in Hagen aufgefunden.

Im Zuschauerraum herrschte während der Verhandlung reger Auftrieb. Selbst Kleinkinder blieben nicht außen vor. Das wird sich vermutlich auch am morgigen Freitag nicht ändern, wenn das Urteil erwartet wird.

Zunächst war die IV. Kammer lediglich von zehn Angeklagten ausgegangen. Da die Polizei damals keine Personalien festgestellt hatte - was keineswegs unumstritten blieb - hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet anhand von den im Gebäude festgestellten Fingerabdrücken sowie von Video-Aufzeichnungen. Und deren Auswertung scheint nun zu weiteren Verdächtigen geführt haben - rund zehn Verfahren sind voraussichtlich noch zu erwarten.

Den bislang Verurteilten wurde schwerer Hausfriedensbruch und Landfriedensbruch vorgeworfen., Die Strafen bewegten sich zwischen einem und zwei Jahren - wurden mit einer Ausnahme zur Bewährung ausgesetzt.

Bei ihrer Besetzung hatten die Kurden, aus Protest gegen die Verhaftung Öcalans in der griechischen Botschaft in Kenia, das Gebäude am frühen Morgen mit Äxten und Eisenstangen gestürmt und eine Spur der Verwüstung hinterlassen - Sachschaden: eine Million Mark.