Berliner Morgenpost, 19.10.2000

Hausarrest in Antalya

Volkszählung in der Türkei - auch für Touristen

AFP Istanbul - Im türkischen Tourismuszentrum Antalya haben am Sonntag rund 250 000 ausländische Urlauber Ausgehverbot. Wie die Zeitung «Sabah» berichtete, wollen die Behörden in Antalya sicherstellen, dass bei der türkischen Volkszählung an diesem Tag auch die ausländischen Touristen mitgezählt werden.

Die landesweit über die einheimische Bevölkerung verhängte Ausgangssperre solle deshalb ausdrücklich auch für die Touristen in Antalya gelten, zitierte das Blatt den Direktor des Einwohneramtes von Antalya. Lediglich die Teilnehmer von Gruppenreisen sollen ihre Hotels verlassen dürfen.

Auch abreisende und ankommende Urlauber sollen gezählt werden. Die Provinz hofft, dadurch einen zehnprozentigen Bevölkerungszuwachs verbuchen zu können, was entsprechend höhere staatliche Zuweisungen zur Folge hätte. Für die Volkszählung werden am Sonntag in der ganzen Türkei die Inlandsflüge gestrichen und die Straßen gesperrt. Alle Fußballspiele der türkischen Liga wurden vorverlegt.

«Zähl-Terror», wetterte die Zeitung Sabah, «Hausarrest» schimpfte «Hürriyet». Die Schulen werden bereits in dieser Woche einen Tag geschlossen, um die als Zähler eingesetzten Lehrer mit einem freien Tag zu entschädigen. Wer am Sonntag ohne Passierschein auf der Straße angetroffen wird, muss mit sofortiger Festnahme rechnen. Ausnahmeregelungen gibt es für Ärzte oder Apotheker. Mit der Volkszählung wollen die türkischen Behörden unter anderem den Wanderungsbewegungen nach den katastrophalen Erdbeben des vergangenen Jahres und nach dem PKK-Krieg im Südosten des Landes auf die Spur kommen. Knapp eine Million Beamte werden am Sonntag im Einsatz sein, um ihren fast 65 Millionen Landsleuten je 43 Fragen zu stellen.