Die Welt, 18.10.2000

Schönbohm stellt sich hinter Merz

"Einwanderung auf die Tagesordnung zu setzen war kein Fehler"

Von Markus C. Hurek

Berlin - In der parteiinternen Auseinandersetzung um ein mögliches Wahlkampfthema Einwanderung erhält der Fraktionsvorsitzende der CDU, Friedrich Merz, Rückendeckung von seinem Parteifreund Jörg Schönbohm. "Das Thema Einwanderung auf die Tagesordnung zu setzen war mit Sicherheit kein Fehler. Da hier Reformbedarf herrscht, freut es mich sogar", sagte der Innenminister des Landes Brandenburg am Dienstag der WELT. Die Entscheidung, ob das Thema tatsächlich den Wahlkampf im Jahr 2002 bestimmen werde oder nicht, treffe die Partei zum gegebenen Zeitpunkt, "wenn wir festgestellt haben, wie das Regierungshandeln bis dahin verlaufen ist." Im Übrigen entschieden nicht Parteien oder Regierungen, sondern die Bürger, womit sich die Politik auseinander setze, betonte Schönbohm. "Asyl und Einwanderung beschäftigen die Menschen derzeit. Wir lassen uns als Union von Rot-Grün nicht vorschreiben, welche Themen wir diskutieren dürfen und welche nicht."

Ungeachtet der heftigen Kritik auch aus den eigenen Reihen bleibt Merz dabei, dass die Einwanderung ein Wahlkampfthema im Jahr 2002 werden könnte. In einem Gespräch mit dem "Hamburger Abendblatt" mahnte er eine Lösung des Problems der Zuwanderung und der Integration von Ausländern an: "Wenn es gelöst ist, wird es kein Thema für einen Wahlkampf sein. Und wenn es nicht gelöst wird, dann sollten Politiker nicht die Überheblichkeit besitzen zu sagen, was im Wahlkampf behandelt wird und was nicht. Wenn wir es nicht tun, werden es andere tun." Der Fraktionsvorsitzende betonte, er habe keine Kampagne zur Zuwanderungspolitik vorgeschlagen, sondern lediglich erklärt, "dass wir von der Bundesregierung ein Konzept zur Regelung der Einwanderung und zur Lösung der Integrationsprobleme erwarten".

CDU-Chefin Angela Merkel hingegen wandte sich gestern erneut gegen die derzeitige Diskussion. Auf einer Veranstaltung des Wirtschaftsrates in Berlin sagte sie, sie halte es für "ziemlich sinnlos", jetzt jeden Tag über Wahlkampf-Themen zu reden.

In der Debatte hatten sich am Dienstag auch die stellvertretende Parteichefin Annette Schavan und Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zu Wort gemeldet. Während Schavan forderte, die Themen Integration und Ausländerpolitik nicht zu ignorieren, da man sonst riskiere, "dass Ängste und die unbeantworteten Fragen von Menschen eher zu mehr als zu weniger Extremismus führen", forderte Biedenkopf eine Versachlichung der Diskussion. "Wenn man sich gegenseitig irgendwelche Schlagworte um die Ohren schlägt, dann hat die Bevölkerung nichts davon", sagte der Ministerpräsident im Deutschlandradio. Dass politisch Verfolgten Asyl gewährt werde, sei im Übrigen unabhängig von der Frage, ob man Einwanderung wolle oder nicht.