Neue Zürcher Zeitung (CH), 18.10.2000

Skepsis in Israel nach Sharm ash-Sheikh

Ministerpräsident Barak erklärt seine Zufriedenheit

Der israelische Ministerpräsident Barak hat sich nach seiner Rückkehr aus Sharm ash- Sheikh befriedigt über die Ergebnisse gezeigt. Dass Israel eine internationale Untersuchungskommission verhindern konnte, bezeichnete Barak als einen Erfolg.

gsz. Jerusalem, 17. Oktober

Israels Ministerpräsident Barak hat sich erwartungsgemäss über die in Sharm ash-Sheikh erreichten Ergebnisse zufrieden geäussert. Daswichtigste Ziel, die Verhinderung einer internationalen Kommission zur Untersuchung der Ereignisse der letzten zwei Wochen, sei erreicht worden. Die Prüfung der Abmachungen bestehe nun darin, ob die Vereinbarung im Feld umgesetzt werde. Im Weiteren erklärte Barak, dass die Bildung einer Notstandsregierung oder einer Regierung der nationalen Einheit nicht verzögert werde. Er sehe kein Problem in der Zuziehung des Likud in seine Regierung und habe den Oppositionsführer Sharon während des Gipfeltreffens fortwährend informiert. Einige Sprecher der Opposition erklärten allerdings, dass sie nun noch weniger Chancen sähen, Baraks Regierung beizutreten; das Abkommen von Sharm ash- Sheikh laufe auf eine künftige Wiederaufnahme des Dialogs mit Arafat hinaus, was abzulehnen sei. Sie plädieren für eine Vorziehung der Wahlen. Sharon selbst liess noch nichts von sich hören. Der arabische Knessetabgeordnete Taleb as-Sana erklärte, seine Wählerschaft wünsche die Einsetzung einer Untersuchungskommission und den Sturz von Baraks Regierung. Der rechtskonservative Abgeordnete Rehavam Zeevi riet Barak, israelische Soldaten keinesfalls zurückzuziehen, da Arafat kein Wort zu glauben sei.

Schüsse im Süden Jerusalems
Während in Sharm ash-Sheikh um eine Einstellung der Gewalttätigkeiten gerungen wurde, ist es in Israel und den palästinensischen Gebieten zu schweren Zwischenfällen gekommen. Das Quartier Gilo ganz im Süden Jerusalems ist, wie schonin den vergangenen Wochen, von den palästinensischen Gebieten aus unter Beschuss gekommen. Diesmal verlief der Zwischenfall aber nicht so glimpflich wie früher. Zwei Israeli wurden von Kugeln verletzt. Einer von ihnen, ein Grenzpolizist, befindet sich in Lebensgefahr. Die Bewohner des Strassenzuges, der in Schussdistanz von palästinensischem Autonomiegebiet liegt, wurden aus ihren Häusern evakuiert und in einer Nebenstrasse in Sicherheit gebracht. Die 160 Familien sollen die Nacht in Notunterkünften verbringen. Als Bürgermeister Olmert in Gilo einen Augenschein vornahm, brachten die Bewohner ihrenZorn zum Ausdruck. Die angeblich von Scharfschützen abgegebenen Schüsse gingen von der Ortschaft Beit Jala neben Bethlehem aus. Die israelische Armee liess zwei Panzer auffahren, die gegen die Häuser im autonomen Gebiet feuerten, von wo die Schüsse abgegeben worden waren. Doch eine halbe Stunde später geriet Gilo erneut unter Beschuss.

Gleichentags kam es bei der Siedlung Itamar in der Nähe von Nablus zu einem blutigen Zwischenfall zwischen israelischen Siedlern undPalästinensern. Der Vorfall begann nach dem Begräbnis eines 14-jährigen Jungen, der bei einem früheren Zusammenstoss ums Leben gekommen war. Die Siedler gaben laut israelischen Medienberichten an, von Palästinensern bedroht wordenzu sein. Bei dem Zusammenprall, der sich daraufhin entwickelte, wurde ein Palästinenser von einem Schuss tödlich getroffen. Die israelische Polizei verhaftete zwei Siedler. Die Siedler behaupteten, in Notwehr gehandelt zu haben.

Geld für die israelischen Palästinenser
Am Dienstag wurde das erste Urteil gegen einen Randalierer gefällt, der sich während der jüngsten Unruhen innerhalb Israels Missetaten zuschulden kommen liess. Der jüdische Israeli, der das Geschäft eines arabischen Mitbürgers zerstört hatte, wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Insgesamt warten etwa 400 Israeli, sowohlAraber als auch Juden, auf ihre Gerichtsverfahren. Gegen 88 von ihnen wurde schon Anklageerhoben. Die meisten Verdächtigen sollen entgegen bisheriger Praxis bis zur Gerichtsverhandlung in Haft bleiben. Ebenfalls am Dienstag traf Finanzminister Shochat mit arabischen Notabeln zusammen. Er teilte ihnen mit, dass dieser Tage im Rahmen eines Fünfjahresprogramms Entwicklungsprojekte in Höhe von etwa einer Milliarde Dollar in Angriff genommen werden sollen, die den von Arabern bewohnten Ortschaften in Israel zugute kommen sollen.