Frankfurter Rundschau, 17.10.2000

Weder "Gäste" noch "Ausländer"

Türkische Gemeinde fordert erleichterte Staatsbürgerschaft

Von Karsten Plog

Der Rechtsstatus eines "Ausländers" für Menschen, die seit 20, 30 oder 40 Jahren in Deutschland leben, "ist eines demokratischen Rechtsstaats nicht würdig". Es sei "Aufgabe der Politik, die vorhandenen Barrieren beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft zu beseitigen". Diese Auffassung vertritt die Türkische Gemeinde in Deutschland in einer Stellungnahme zur Integrationspolitik der Bundesregierung.

HAMBURG, 16. Oktober. Innenminister Otto Schily (SPD) hat kürzlich eine Kommission "Zuwanderung" ins Leben gerufen, die Vorschläge machen soll, wie Zuwanderung und Integration aufeinander abgestimmt werden können. Die Türkische Gemeinde gehört der Kommission nicht an. Nach ihrer Einschätzung ist Deutschland längst ein Einwanderungsland geworden. Die Eingewanderten, ihre Kinder und Enkel seien fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Sie seien weder Gäste noch Ausländer und auch nicht ausländische Mitbürger.

Es sei an der Zeit, sie so zu benennen, "wie es der Lebensrealität dieser Menschen entspricht: Sie sind Deutschland-Türken, Deutschland-Italiener, Deutschland-Griechen und so weiter", die "neuen kulturellen Minderheiten" Deutschlands. Ähnlich wie in vielen Staaten der Europäischen Union müsse auch Deutschland die Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft tolerieren.

Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz verlange beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ausreichende Deutschkenntnisse. Das könne von vielen aus der ersten Einwanderergeneration nicht erfüllt werden. Deshalb sollte man sich darauf beschränken, dass man sich auf Deutsch mündlich verständigen könne.

Darüber hinaus fordert die Türkische Gemeinde ein Antidiskriminierungsgesetz, mit dem Rassismus, Antisemitismus und Ausländerhass bekämpft werden könnten. Parteien, Vereine und Medien, die derartige Ideen verbreiteten, müssten notfalls durch neue Gesetze verfolgt und gegebenenfalls verboten werden. Behörden und Betriebe oder Sportvereine, die Menschen diskriminierten, müssten mit strafrechtlichen Folgen rechnen, wie es in anderen Ländern der Fall sei.

Kulturelle Minderheiten sollten so lange besonders berücksichtigt und gefördert werden, bis die Ungleichheit aufgehoben sei. Schließlich müsse die Zuwanderung aktiv gefördert werden, etwa durch Deutschkurse sowie gesellschaftliche und berufliche Orientierung.