Frankfurter Rundschau, 17.10.2000

Abschiebung nach Kongo gerügt

NRW-Flüchtlingsrat: Asylbewerber erwartet Haft und Folter

Von Ingrid Müller-Münch

Heftige Kritik an der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Kongo hat am Montag der nordrhein-westfälische Flüchtlingsrat geübt. Es sei unbegreiflich, dass das NRW-Innenministerium weiterhin an seinen Plänen festhalten könne, Menschen nach Kongo abzuschieben, obwohl ernstzunehmende Hinweise vorliegen, nach denen sie dort mit Haft, Folter, Zwangsrekrutierung zum Militär und unter Umständen Exekutionen rechnen müssen.

KÖLN, 16. Oktober. Am vergangenen Freitag sollten vier Flüchtlinge von Nordrhein-Westfalen nach Kongo abgeschoben werden. Wie eine Sprecherin des Innenministeriums erklärte, konnte dies nur deshalb nicht geschehen, weil zwei der Abzuschiebenden untergetaucht waren, bei einem die "organisatorischen Voraussetzungen" nicht erfüllt waren und der vierte sich so heftig der Abschiebung widersetzte, dass die Behörden von ihrem Vorhaben vorerst absahen.

Michael Gödde, Sprecher des NRW-Flüchtlingsrates, warf dem Innenministerium vor, sich über die Zeugenaussage eines ranghohen Ex-Mitarbeiters der kongolesischen Einwanderungsbehörde hinweggesetzt zu haben, obwohl die darin enthaltenen Vorwürfe auch von Menschenrechtsorganisationen erhoben worden waren. Dieser ehemalige Beamte aus Kongo hatte vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof erklärt, alle nach Kongo abgeschobenen Asylbewerber würden als Regimegegner verhört, gegebenenfalls wochenlang festgehalten, misshandelt und schließlich entweder zwangsrekrutiert oder exekutiert. Kinder würden den abgeschobenen Frauen weggenommen, an staatliche Aufbewahrungsorte gebracht und endeten später als Straßenkinder.

Das NRW-Innenministerium hatte sich bei seiner Entscheidung, mehrere geplante Abschiebungen nach Kongo nicht auszusetzen, auf eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes berufen. Darin hieß es, abgeschobene Asylbewerber könnten in Kongo sehr wohl unbehelligt zu ihren Angehörigen gelangen. Dies hätten Menschenrechtsorganisationen bestätigt.

Bei dieser "Auskunftslage ist das Auswärtige Amt offenbar schlecht beraten worden", kritisierte der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, nachdem er von den nordrhein-westfälischen Abschiebungen erfahren hatte. Nach Information einer Kieler Sprecherin hatten zwei Vertreter der Afrikanischen Menschenrechtsorganisation (Asadho) bestätigt, dass jede Person, die nach Kongo einreist, verdächtigt wird, mit einer gegnerischen Kriegspartei zusammenzuarbeiten. Die Rückkehrer würden festgenommen und gewalttätigen Verhören unterzogen. Während dieser auf allen Flughäfen des Landes vollstreckten Haft "kann alles passieren", hatten die Asadho-Mitglieder erklärt.

Der Kieler Flüchtlingsrat wies darauf hin, dass schon im August das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Abschiebung eines Kongolesen verboten hatte. In der Begründung hieß es, Rückkehrende nach Kongo würden "im gegenwärtigen Zeitpunkt (...) mit hoher Wahrscheinlichkeit den hochgradigen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt".