Stuttgarter Zeitung, 13.10.2000

Kirchenasyl bald beenden

EHNINGEN. Nachdem sich Rechtsanwalt Gerhard Härdle mit den Akten vertraut gemacht hat, sieht er Chancen, dass die Familie Baydar ein Bleiberecht erhält. Seit drei Wochen befinden sich die vier Kurden im Kirchenasyl in Ehningen (Kreis Böblingen).

Von Holger Buchwald

Zwei Mal hat das Verwaltungsgericht Stuttgart bereits über das Schicksal der Familie Baydar entschieden und ihr das Bleiberecht verweigert. Bei der ersten mündlichen Verhandlung vor vier Jahren hatte Haydar Baydar erzählt, dass ihn die türkische Polizei aus politischen Gründen vorläufig festgenommen und misshandelt habe. Der Richter hatte den Worten des Familienvaters zwar Glauben geschenkt, den Asylantrag aber zurückgewiesen. Haydar Baydar sei nicht aus persönlichen Gründen verfolgt worden, sondern viele Kurden seien von einer ähnlichen Problematik betroffen. Rechtsanwalt Härdle meint, dass diese Entscheidung heute so nicht mehr gefällt werde würde, da sie mit aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr vereinbar sei.

Als der Asylfolgeantrag Baydars Mitte 1998 zurückgewiesen wurde, hieß es in der Begründung, dass der kurdische Verein, für den Baydar tätig war, unbedeutend sei, und dass nur 30 Fälle bekannt seien, in denen Kurden nach ihrer Abschiebung in die Türkei misshandelt worden seien.

Auf Grund dieser "anfechtbaren Entscheidungen" will Härdle den Fall nochmals aufrollen. Dabei will der Anwalt auf das alte Beweismaterial zurückgreifen. Gleichzeitig möchte er aber auch auf politische Äußerungen Baydars hinweisen, die dieser erst in Deutschland gemacht hat, und die ihn nun in der Türkei zusätzlich gefährden könnten. Der Familienvater hatte etwa in verschiedenen Presseberichten junge Kurden dazu aufgerufen, den Wehrdienst zu verweigern.

Härdle glaubt an einen Erfolg in einem neuen Verfahren. Er habe schon zwei Fälle verhandelt, in denen Familien das Bleiberecht gewährt worden sei, nachdem sie im Kirchenasyl waren. Der Anwalt will erreichen, dass die Familie Baydar zunächst einstweiligen Rechtsschutz erhält. Dann bestünde keine Abschiebegefahr mehr und das Kirchenasyl könnte beendet werden. Pfarrer Heinz Düllmann teilt die Hoffnung: "Dann könnte die 15-jährige Emine wieder in die Realschule gehen und ihr Bruder Ahmet seine Lehre beginnen."