Aachener Nachrichten online, 16.10.2000 20:22

Aachen will die Zuständigkeit vom Kreis Wesel übernehmen

Ständiger Einsatz für den Kurden Calhan

Aachen (an-o/dd). "Die Stadt Aachen hat dem Kreis Wesel noch einmal angeboten, die Zuständigkeit für Herrn Calhan zu übernehmen", sagte am Montag OB Jürgen Linden den "Nachrichten" und ließ keinen Zweifel daran, dass sich die Stadt ständig für den Kurden eingesetzt habe.

Eine Übernahme der Zuständigkeit sei aber nur dann möglich, wenn ein amtsärztliches Gutachten zu dem Schluss komme, dass der Gesundheitszustand des 27-jährigen Friedenspreisträgers eine Haftentlassung zulasse.

Nach fünf vorliegenden Gutachten ist Calhan stark traumatisiert, selbstmordgefährdet und nicht transportfähig. Vom schlechten Gesundheitszustand des Kurden konnten sich die "Aachener Nachrichten" vorige Woche Freitag bei einem Besuch im Abschiebegefängnis in Büren überzeugen. Stephanie Boley, Calhans Anwältin, will jetzt Akteneinsicht fordern. Sie will wissen, wie der Bürener Anstaltsarzt zu dem Ergebnis kommt, ihm Reisefähigkeit zu unterstellen.

Nicht begeistert

Nach den Worten des Sprechers im Wanderkirchenasyl habe der Arzt ihn körperlich nicht untersucht, habe ihm noch nicht einmal zu erkennen gegeben, dass eine Untersuchung anstehe, ein Dolmetscher war ebenfalls nicht zugegen.

Der Weselener Kreisdirektor Ansgar Müller und sein Dezernent Helmut Schult scheinen nicht begeistert von der Idee zu sein, die Zuständigkeit an die Stadt Aachen abzutreten.

"Der Kreis Wesel ist die zuständige Behörde, nicht die Stadt Aachen", stellten sie gestern fest. Ihre Entscheidung, den Kurden zur Abschiebefahndung auszuschreiben, sei richtig gewesen, schließlich sei sie gerichtlich nachgeprüft und bestätigt worden, bleiben beide fest bei ihrer starren Haltung und weiter: "Auch ein Petitionsverfahren kann eine Abschiebung nicht stoppen."

Wechselbad der Gefühle

Am Mittwoch werden Mitglieder der Aachener Härtefallkommission gemeinsam mit dem Bürgerbeauftragten Willi Claßen nach Büren reisen, um Calhan zu treffen.

Am Montag besuchte Superintendent Peter Bruckhoff gemeinsam mit Eva Klaar vom Wanderkirchenasyl den Inhaftierten. Der evangelische Kirchenmann: "Es ist ein Skandal, einen Menschen solchen Wechselbädern der Gefühle auszusetzen." Bruckhoff und Klaar fanden bei ihrem Besuch im Abschiebegefängnis den Kurden bereits in Reisekleidung vor.