Berner Zeitung (CH), 17.10.2000

umstrittenes staudammprojekt in der türkei

Schweizer Garantie steht aus

ABB und Sulzer Hydro sind die wichtigsten ausländischen Partner im türkischen Ilisu-Dammprojekt. Solange die türkische Regierung keine Angaben liefert, erteilt die Schweiz keine Risikoexportgarantie.

*Jane Keetman

Die Staudammprojekte im Südosten der Türkei bleiben umstritten. Dies gilt sowohl für die Türkei als auch für die Länder, deren Firmen, abgesichert von Exportrisikogarantien (ERG), an dem Projekt verdienen, sprich Arbeitsplätze sichern wollen. Im Zentrum der Diskussionen steht der grösste der noch zu bauenden Dämme, der Ilisu-Damm, der die historische Siedlung Hasankeyf überfluten wird. Die Schweiz ist mit ihren Firmen ABB und Hydro Sulzer und einem Auftragsvolumen von 470 Millionen Franken der wichtigste ausländische Partner bei Ilisu. Wie die übrigen Partner hat auch die Schweiz noch keine Entscheidung über die Erteilung einer Exportrisikogarantie für Ilisu getroffen. Alle warten auf die Vorlage von Plänen und Studien durch die türkische Regierung, die Klarheit über die Problemfelder Umsiedlung, Wasserqualität, Wasserversorgung der Nachbarländer und bestmögliche Bewahrung des archäologischen Erbes geben sollen.

Standard nicht eingehalten
Indessen hat eine Delegation von Nichtregierungsorganisationen aus den USA, England, Italien und Deutschland die Region bereist und das Projekt auf ei- ner Pressekonferenz in Istanbul heftig kritisiert. Als besonders gravierend hob Nicholas Hildyard vom Corner House Research Center (England) hervor, dass die Umsiedlungspläne nicht mit den Vertretern der lokalen Bevölkerung erörtert wurden. Dies gehöre aber zum Standard, den die Weltbank für Umsiedlungen vorschreibe. Es sei unmöglich, dies bis zur geplanten Vorlage des Umsiedlungsplanes im November noch nachzuholen. Auch gäbe es keinen Finanzplan für die Kosten der Umsiedlung, was ebenfalls den Standards der Weltbank widerspreche. Bezüglich der Umweltprobleme werden der Ilisu-Damm und der unterhalb von ihm am Tigris geplante Cizre-Damm als getrennte Projekte betrachtet. Das sei aber falsch, da sich die Umweltprobleme akkumulieren würden. Solche würden insbesondere durch unzureichende Abwasserklärung oberhalb der geplanten Stauseen entstehen. Kritisiert wurde auch der Umgang mit den kulturgeschichtlichen Reichtümern Hasankeyfs. Für Ausgrabungen in Hasankeyf bräuchte man viel mehr Zeit, und sie seien auf die Bergung von Artefakten beschränkt. Die eigentliche Bedeutung von Hasankeyf läge jedoch in seiner einzigartigen Höhlenkultur, die mit der Überflutung verloren gehe.

Geteilte Meinungen Die Delegation meinte, ihr Bericht könne Auswirkung auf die Entscheidung über Exportrisikogarantien in ihren Ländern haben. In London, Berlin und in Rom sind die Meinungen über das Projekt zumindest geteilt, wobei nicht nur der Druck privater Initianten, sondern auch der vom türkischen Wasser abhängigen Länder Syrien und Irak eine Rolle spielen dürfte. Die schwedische Firma Skanska, die immerhin 24 Prozent an dem Ilisu-Konsortium hielt, hat sich bereits zurückgezogen. *