Neue Zürcher Zeitung (CH), 16.10.

Flugzeugentführung nach Bagdad unblutig beendet

Protestaktion saudischer Dissidenten

vk. Limassol, 15. Oktober

Die Entführung eines saudischen Boeing-777- Verkehrsflugzeugs mit 108 Personen an Bord ist am späten Samstag in Bagdad unblutig zu Ende gegangen. Zwei Luftpiraten liessen drei Stunden nach der Landung auf dem Saddam-Hussein- Flughafen alle Geiseln frei und ergaben sich irakischen Sicherheitskräften. Sie erklärten vor ihrerAbführung ins Gefängnis am Fernsehen, sie hätten mit ihrer Aktion gegen das saudische Regimeund gegen die üblen sozialen und politischen Zustände im Königreich protestieren wollen. Sie gingen nicht auf die blutige Konfrontation zwischen Israel und den Palästinensern ein; die Entführung kann demnach nicht als Beleg für eine ausgreifende Terrorwelle in dem Zusammenhang dienen.Hingegen hat, wie vereinzelte Strassenkundgebungen zeigen, die antiamerikanische Stimmung in der saudischen Bevölkerung seit dem Ausbruch der Aksa-Intifada zugenommen. Das Haus Saud gilt als überaus amerikafreundlich und von der Supermacht abhängig. Die beiden Luftpiraten forderten unter anderem den Rücktritt König Fahds.

Die Entführer brachten das Flugzeug, das von Jidda nach London unterwegs war, im ägyptischen Luftraum in ihre Gewalt. Sie drohten mit dem Gebrauch von Sprengstoff. Ob sie wirklich solchen an Bord zu bringen vermochten, ist offen, denn die Sicherheitsvorkehren in saudischen Flughäfen mit modernsten Mitteln sind eher streng. Sie lenkten den Flug dann nach Damaskus, wo die Behörden nach anfänglicher Verweigerung eine Landebewilligung aus humanitären Gründen erteilten. Doch die Maschine flog schliesslich weiter und landete in Bagdad. Die irakische Baath-Partei hatte am gleichen Morgeneinen Aufruf zu Aktionen gegen arabische Herrscher erlassen, welche unter dem Joch der Amerikaner stünden. Die beiden Entführer gaben sicham Ende vor der Kamera sehr ruhig und vertrauten darauf, dass die Iraker sie gut behandeln würden. Beobachter in Bagdad rechneten jedoch damit, dass ihnen kein politisches Asyl gewährt, sondern der Prozess gemacht werde.