Frankfurter Rundschau 14.10.2000

EU will Kontakte in Nahost zur Vermittlung nutzen

Fischer und Chirac warnen jedoch vor zu großen Hoffnungen / "Möglichkeiten sind begrenzt"

Von Martin Winter

In enger Abstimmung mit den USA nutzt die EU ihre Kontakte im Nahen Osten sowie ihr politisches und wirtschaftliches Gewicht, Palästinenser und Israel zum Ende der Feindseligkeiten und zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu zwingen.

BIARRITZ, 13. Oktober. Wie weit der Einfluss der EU reicht, ist ungewiss. "Unsere Möglichkeiten sind begrenzt", räumte Außenminister Joschka Fischer am Freitag am Rande des informellen EU-Gipfels im französischen Biarritz ein. Aus deutschen Regierungskreisen wurde jedoch darauf hingewiesen, dass ein Nahost-Krieg die materielle Hilfe der EU für diese Region stoppen würde, während eine Wiederaufnahme und erfolgreiche Beendigung des Friedensprozesses weitere Unterstützung aus Brüssel bedeute. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac, Gastgeber des Gipfels, dämpfte Hoffnungen auf eine allzu große Wirkung des europäischen Drucks. Die EU habe im Friedensprozess im Nahen Osten "immer nur eine marginale Rolle" gespielt, man habe "keine Bedingungen zu stellen" und werde nur "in aller Freundschaft vorstellig".

Außer auf eine betriebsame Telefondiplomatie setzen die Staats- und Regierungschefs der EU auch auf unmittelbare Einmischung. Sie beauftragten den soeben aus Libanon zurückgekehrten Vertreter der "Gemeinsamen Außenpolitik", Javier Solana, wieder in die Krisenregion zu reisen. In einem dringenden Appell an Israelis und Palästinenser verlangt die EU den "politischen Mut" und das "Verantwortungsbewusstsein", die Vernunft siegen zu lassen, bevor die Entwicklung zum Krieg unumkehrbar wird. Die EU unterstützt den Aufruf des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und des US-Präsidenten Bill Clinton zu einer neuen Gipfelkonferenz in Scharm-el-Scheich.

Um ihre Vermittlungschancen nicht zu gefährden, vermied die EU auch nur den Anflug einer Parteinahme. Er halte in dieser Situation nichts von Schuldzuweisungen, sagte Fischer. Am Donnerstagabend hatte der ehemalige israelische Ministerpräsident Schimon Peres als Sondergesandter von Premier Ehud Barak die EU-Regierungschefs informiert. Dabei bat er laut Regierungskreisen Kanzler Gerhard Schröder, sich dafür einzusetzen, dass die EU eine klare und schnelle Erklärung gegen die Gewalt in Nahost abgibt.