junge Welt, 10.10.2000

Haft oder Bewährung

Staatsanwälte fordern Jugendstrafen im Prozeß um Gubener Hetzjagd

Die Mühlen der Justiz mahlen manchmal elend langsam: Nach monatelangen Verhandlungen konnte die Staatsanwaltschaft am Montag im Prozeß um die tödliche Jagd auf einen algerischen Asylbewerber in Guben (Spree-Neiße) endlich Haft- und Bewährungsstrafen zwischen neun Monaten und dreieinhalb Jahren gegen die elf Angeklagten beantragen. Die Anklagevertreter werfen den 17- bis 21jährigen Angeklagten fahrlässige Tötung und gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung bei der Hetzjagd auf den 27jährigen Omar Ben Noui vor. Zugleich wurden einigen Angeklagten Volksverhetzung, Beleidigung, Sachbeschädigung sowie mehrere bereits 1998 begangene Taten wie räuberische Erpressung, räuberischer Menschenraub, Körperverletzung und Diebstahl zur Last gelegt. Sechs Strafen sollen allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden.

Als Tatmotive nannte die Staatsanwaltschaft Ausländerfeindlichkeit, ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft, Rohheit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben anderer Menschen.

Omar Ben Noui war am 13.Februar 1999 von den rechtsradikalen Schlägern bedroht und verfolgt worden. Auf der Flucht trat er aus Panik eine Haustürscheibe ein und verblutete.

Daß es jetzt endlich zum Antrag der Staatsanwaltschaft kommen konnte, ist immerhin als Indiz zu werten, daß der Prozeß endlich vorankommt. Monatelang hatten die Anwälte der Hetzer und Schläger das Verlesen von Geständnissen aus der Voruntersuchung verzögert. Die Angeklagten hatten diese Geständnisse später widerrufen. Unter Nutzung aller Möglichkeiten der Strafprozeßordnung wurden von den Verteidigern Anträge gestellt, immer neue Zeugen geladen. Zwanzig Anwälte sorgten sich um die Straftäter, Vertreter der Jugendgerichtshilfe wachten darüber, daß dem jugendlichen Mob auch ja alle Möglichkeiten der Strafprozeßordnung zugute kommen. Irgendwelche Reue bei den Tätern konnten Prozeßbeobachter nicht feststellen.

Während sich die Verhandlungen endlos hinzogen, wurde in Guben der Gedenkstein für das Opfer Omar Ben Noui mehrfach geschändet, beschädigt, ja sogar entwendet. (ddp/jW)