web de 07.10.2000 16:34

Grabmal Josefs und Netzarim nicht nur von strategischer Bedeutung

Palästinenser sehen Symbol israelischer Besatzung - Israelis wollen Außenposten verteidigen

Von AP-Korrespondentin Karin Laub

Jerusalem (AP) Die Außenposten am Grabmal Josefs im Westjordanland und in der Ortschaft Netzarim im Gazastreifen sind für Israelis und Palästinenser von mehr als nur strategischer Bedeutung. Die Palästinenser werden durch sie stets daran erinnert, dass Israel immer noch weite Teile des Landes kontrolliert, auf dem sie ihren Staat errichten wollen. Symbolische Triumphe dort werden wie militärische Siege gefeiert: ein Teenager zerreißt die israelische Flagge in Netzarim, ein Bulldozer beschädigt eine Wand des Grabmals. Für Israel sind die Enklaven verwundbare Stellen, an denen sich die Wut der Palästinenser entlädt.

Bei Zusammenstößen in Nablus wurde am Freitag zwei Palästinenser getötet. Zwei Dutzend Kämpfer lösten sich daraufhin aus der Menge und beschossen das Grabmal Josefs. Die israelischen Soldaten erwiderten das Feuer. Die palästinensischen Kämpfer hatten zuvor die Anweisung erhalten, nicht zu schießen, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. «Als der erste Junge getötet wurde, wurden sie ärgerlich und folgten unseren Befehlen nicht», sagte der palästinensische Aktivist Bassam Naim. «Sie kamen zum Grabmal und jetzt können wir sie nicht aufhalten.» Dutzende Demonstranten stürmten am Samstag die Enklave, setzten Teile des Geländes in Brand und verbrannten hebräische Texte.

Israels Entschlossenheit, seine Positionen zu verteidigen, wurde auf die Probe gestellt, als am vergangenen Wochenende ein israelischer Grenzpolizist im Grabmal angeschossen wurde und verblutete. Die Palästinenser ließen erst nach fünf Stunden Ärzte zu dem Verletzten vor. Der israelische Stabschef Generalleutnant Schaul Mofas erklärte, er habe nicht härter vorgehen können, um den Grenzpolizisten zu befreien. Dafür hätte er einen großen Teil von Nablus einnehmen müssen und damit ein noch größeres Blutvergießen riskiert.

Israelische Medien berichteten, Mofas habe Ministerpräsident Ehud Barak um die Erlaubnis gebeten, das Grabmal zu evakuieren. Barak habe dies jedoch aus politischen Gründen abgelehnt. Das Grabmal und Netzarim wären wahrscheinlich die ersten Ortschaften, die nach einem Friedensvertrag aufgelöst würden. In Netzarim leben noch etwa 60 israelische Familien; am Grabmal Josefs studierten tagsüber 30 junge Leute, sie durften jedoch das Gelände seit vergangenem Wochenende nicht mehr betreten. Wenn die Siedlungen unangetastet blieben, könnte die israelische Regierung ihre Zusagen nicht erfüllen, den Palästinensern ein zusammenhängendes Staatsgebiet zu geben. In einem Kommentar der regierungskritischen Zeitung «Haaretz» hieß es, Netzarim und das Grabmal Josefs seien Symbole für Israels Durchhaltevermögen und Standhaftigkeit geworden.