Bremer Nachrichten, 31.8.2000

"Wir wollen so viele Aufträge wie möglich

Von unserer Korrespondentin Susanne Güsten

Israel wirbt in der Türkei offensiv um Rüstungsaufträge/Frage der Menschenrechte dabei kein Thema

Istanbul. Ehud Barak kam gleich zur Sache. "Wir haben uns bisher darum bemüht, dass die israelische Rüstungsindustrie so viele Aufträge wie möglich erhält, und wir werden das auch weiter tun", sagte der israelische Ministerpräsident diese Woche bei einem Arbeitsbesuch in Ankara. Barak schlüpfte in der türkischen Hauptstadt in die Rolle eines "Chefverkäufers" und forderte seine Gesprächspartner in der türkischen Regierung unverwandt auf, israelische Rüstungsfirmen bei mehreren laufenden Ausschreibungen den Zuschlag zu geben. Etwas überrascht über so viel Offenheit, zogen sich die Türken auf das Argument zurück, noch sei nichts entschieden. Anders als die Bundesrepublik, in der Rüstungsgeschäfte mit der Türkei wegen der Menschenrechtslage beim NATO-Partner höchst umstritten sind, hat Israel bei dem Thema keinerlei Berührungsängste. Der Offensiv-Geist Baraks beim Thema Rüstung erklärt sich auch aus der Tatsache, dass Israel und die Türkei schon seit Jahren sehr enge militärische Beziehungen haben. Mit einem gigantischen Modernisierungsprogramm wollen die türkischen Streitkräfte in den kommenden Jahren die Armee des Landes auf den neuesten Stand bringen. Zu diesem Programm gehört nicht nur der geplante Kauf von 1000 Kampfpanzern für 14 Milliarden Mark, der in Deutschland schon geraume Zeit für Wirbel sorgt. Vorgesehen sind darüber hinaus die Modernisierung älterer Panzer, der Kauf von 145 Kampfhubschraubern sowie die Anschaffung eines Spionagesatelliten und eines fliegenden Frühwarnsystems. Diese Aufträge haben ebenfalls einen Gesamtwert von mehreren Milliarden Mark.

Barak und die Rüstungsindustrie seines Landes sind entschlossen, Israel an diesen lukrativen Aufträgen teilhaben zu lassen. Und die Chancen stehen gut. Schon seit 1996 sind die Türkei und Israel durch ein Militärabkommen verbunden. Die israelische Luftwaffe übt in Zentralanatolien, während türkische Piloten in der israelischen Negev-Wüste Trainingsflüge absolvieren. Auch in der Rüstungsindustrie gab es schon millionenschwere türkisch-israelische Kooperationen.

Diese Zusammenarbeit ist für beide Seiten von Nutzen. Für Israel bietet sich die Chance, sich auf Jahre hinaus Aufträge eines verlässlichen und auch politisch eng verbündeten Kunden zu sichern. Für die türkische Seite ist Israel nicht nur wegen der Qualität der Rüstungsgüter interessant: Anders als die Deutschen macht Israel Rüstungsgeschäfte mit der Türkei nicht von politischen Zugeständnissen etwa in der Kurdenfrage abhängig. Damit hat Ankara bei einem Ausbau der Rüstungs-Beziehungen mit Israel die Möglichkeit, auf die Europäer verzichten zu können; auch die Abhängigkeit von der NATO-Führungsmacht USA lässt sich auf diese Weise lindern. Die Türkei achtet allerdings darauf, zumindest Washington nicht zu verprellen. So hat Ankara klargestellt, dass im rund sieben Milliarden Mark schweren Hubschrauber-Geschäft die Amerikaner die Nase vorn haben. "Der Wettbewerb ist hart", gab Barak bei seinem Besuch in Ankara zu.

Der Rüstungssektor ist aber nicht der einzige Bereich, in dem die Türkei zunehmendes Interesse an der Nahost-Region zeigt. Baraks Kurzvisite in der Türkei war die Antwort auf einen Besuch von Palästinenser-Präsident Yassir Arafat vor wenigen Wochen. Der neue israelische Außenminister Schlomo Ben Ami stattete Ankara gleich nach seiner Ernennung einen Besuch ab. Der türkische Außenminister Ismail Cem reiste seinerseits erst vor wenigen Tagen zu Arafat nach Gaza.

Die rege Reisediplomatie deutet darauf hin, dass die Türkei eine aktivere Rolle in der Nahost-Politik spielen will. Obwohl die Türken wissen, dass ihr politisches Gewicht für eine Vermittlertätigkeit längst nicht ausreicht, fühlen sie sich doch durch Aufforderungen geschmeichelt, als Nachfolger der Großmacht des Osmanischen Reiches solle sich ihr Land stärker engagieren.