DER STANDARD (A), 31. August 2000,

Fünfzig Millionen Kubikmeter türkisches Wasser für Israel

Kooperation zwischen Ankara und Jerusalem wird noch enger

STANDARD-Korrespondent Jürgen Gottschlich aus Istanbul

Angesichts dramatischer Was- serknappheit hat Israel angekündigt, demnächst Wasser aus der Türkei zu importieren. Expertenkommissionen beider Seiten hatten sich bereits Ende Juni im Prinzip geeinigt, jetzt fehlt nur noch die letzte Unterschrift.

Die Türkei ist das mit Abstand wasserreichste Land am östlichen Mittelmeer. Sie kontrolliert nicht nur den Oberlauf der beiden größten mesopotamischen Ströme, Euphrat und Tigris, sondern hat auch etliche sehr wasserreiche Flüsse, die vom Taurusgebirge direkt ins Mittelmeer fließen.

An einem dieser Flüsse, dem Manavgat, der 50 Kilometer östlich der Touristenmetropole Antalya ins Mittelmeer fließt, hat die türkische Regierung eine Anlage bauen lassen, mit der Wasser auf Tankschiffe gepumpt werden kann. Vergleichbar den Off- shore-Terminals, an denen im Persischen Golf Öltanker Kilometer vor der Küste beladen werden, können am Manavgat gleichzeitig zwei Wassertanker mit einem Fassungsvermögen von maximal 250.000 Tonnen mit bestem Trinkwasser voll gepumpt werden. Ende Juni überzeugte sich eine Expertengruppe aus Israel von der Funktionsfähigkeit der türkischen Anlage.

Über sieben Schilling

Israel will erst einmal jährlich 50 Millionen Kubikmeter Wasser importieren. Ankara ist mit der Vorstellung in die Verhandlungen gegangen, pro Kubikmeter umgerechnet 4,65 Schilling zu erzielen, was den Israelis zu teuer ist, weil dann der Kubikmeter einschließlich Transportkosten bei über sieben Schilling liegen wür- de. Das entspricht ungefähr den Kosten für Trinkwasser aus einer Meerwasserentsalzungsanlage.

Das Entscheidende aber ist nicht der Preis, sondern der politische Präzedenzfall. Erst- mals würde der Rohstoff Wasser zwischenstaatlich kommerziell gehandelt und Israel bei einem so unersetzlichen Stoff wie Wasser auf die Vertragstreue eines anderen Landes vertrauen. Neben der sowieso schon engen militärischen Kooperation zwischen der Türkei und Israel wird der Wasserdeal die beiden Länder noch enger zusammen führen.

Entsprechend kritisch sehen die arabischen Länder den Handel. Syrien und der Irak drängen darauf, dass die Türkei die Durchflussmenge am Euphrat, die durch den Bau von Staudämmen und Bewässerungsanlagen immer weniger wird, wieder erhöht. Das Wasser gehöre schließlich nicht der Türkei, sondern muss nach UN-Standards unter den Anrainern gerecht verteilt werden.

Auf türkischer Seite stößt dieses Argument auf Unverständnis. Für sie ist Wasser ein Rohstoff wie Öl oder Gas; wie die Araber ihr Öl verkaufen, will die Türkei nun ihr Wasser zu Geld machen. Auch Delegationen aus Libyen, Jordanien und Saudi-Arabien waren schon in Manavgat, um sich zu informieren.