Frankfurter Rundschau 30.8.2000

Offiziere appellieren an Berlin

"Darmstädter Signal" gegen Munitionsfabrik für die Türkei

BERLIN, 29. August (Vbn/ap). Das "Darmstädter Signal", ein Zusammenschluss kritischer Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr, appelliert an Bundestag und Bundessicherheitsrat, weder einer Lieferung von Kampfpanzern noch einer Munitionsfabrik an den Nato-Partner Türkei zuzustimmen.

"Wir fordern, dass die Bundesregierung keine militärischen Anlagen und Güter in Länder liefert, die sich in Krisenregionen befinden oder den Mindestanforderungen demokratischer Alltagspraxis nicht entsprechen", heißt es in einer jetzt verbreiteten Erklärung der Vereinigung. "Wer auf der einen Seite von Soldaten der Bundeswehr erwartet, bei Auslandseinsätzen oder für die Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes auch das eigene Leben einzusetzen", argumentieren die kritischen Offiziere, "der darf an die Türkei aus Gründen des wirtschaftlichen Vorteils keine Militärtechnologien liefern, die deren Nachbarländer bedrohen und zur Unterdrückung von Bürgerrechten ethnischer oder politisch unliebsamer Volksgruppen eingesetzt werden."

Auch gegen den Export der Hanauer Brennelemente-Fabrik nach Russland gibt es Protest. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) müsse Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) von diesem Vorhaben abbringen, forderten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) in Berlin.

Ein Ausbau der russischen Atomwirtschaft mit deutscher Beteiligung berge "unkalkulierbare ökologische und sicherheitspolitische Risiken", warnten die Organisationen. Sie bezogen sich auf Berichte, denen zufolge die Bundesregierung den Export genehmigen, aber nicht finanziell fördern wolle. Dagegen erwartet der Siemens-Konzern finanzielle Hilfe für die Ausfuhr. Mit der Anlage soll in Russland Waffenplutonium zu Brennstoff für Kernkraftwerke verarbeitet werden.

Der Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Bütikofer, erklärte in der Stuttgarter Zeitung, möglicherweise werde seine Partei die Lieferung der Fabrik nicht verhindern können. Doch dürfe diese Frage nicht allein unter atompolitischen Aspekten betrachtet werden. Immerhin würde waffenfähiges Plutonium aus dem Verkehr gezogen. Bütikofer rechnet nicht damit, dass sich an der Auseinandersetzung über die Plutoniumfabrik in der Partei "ein Riesenkrach" entzünde.