junge Welt, 30.08.2000

Polizei: Freund und Helfer der Rechten?

Rathenower Beamte weisen Vorwürfe der »Verbrüderung« mit Skins zurück. jW-Bericht

Zwei brandenburgische Polizistinnen müssen im Zusammenhang mit dem Angriff auf den britischen Reporter Justin Jin in Rathenow (Havelland) mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Damit sollen die Vorwürfe egen »Verbrüderung« mit rechten Gewalttätern bei dem Vorfall geklärt werden, so der Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Oranienburg, Uwe Westen, am Dienstag in Rathenow. Am Nachmittag mußte sich ein 21jähriger wegen der Schläge gegen Jin in einem Eilverfahren vor dem Amtsgericht Rathenow verantworten.

Der britische Fotograf chinesischer Herkunft, der im Zusammenhang mit einem rechtsextremistischen Übergriff in Rathenow schwere Vorwürfe gegen die zwei Polizistinnen erhob (siehe jW vom Dienstag), hatte sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde an den Polizeipräsidenten gewendet. Das Präsidium Oranienburg bezog am Dienstagvormittag in einer Pressekonferenz, zu der auch der Journalist, die drei Asylbewerber sowie die Polizistinnen eingeladen waren, erneut Stellung. Die Opfer der Attacke, Jin sowie drei afrikanische Asylbewerber, hatten den Polizistinnen vorgeworfen, sich mit dem rechten Gewalttäter verbündet zu haben, Jin mit Gewalt den Fotoapparat entwendet und ihn, die Arme auf den Rücken gedreht, in den Streifenwagen verfrachtet zu haben. Beide Beamtinnen hatten bei der Gegenüberstellung mit den Opfern am Dienstag diese Darstellung erneut bestritten. Westen betonte, er vertraue den Aussagen der Polizistinnen. Jin selbst nahm an der Aussprache nicht teil.

Am Dienstag wurde das Ergebnis der polizeilichen Untersuchung so dargestellt: Zu der Auseinandersetzung soll es gekommen sein, weil Jin den Angreifer gegen dessen Willen fotografiert habe. Eine herbeigerufene Beamtin habe sich zunächst bei dem Rathenower über den Sachverhalt erkundigt, als sich zwei weitere männliche Personen »lautstark« zu ihm stellten und ebenfalls die Herausgabe des Films verlangten. Da der Journalist erneut die Situation fotografiert habe, sei eine Eskalation nicht mehr ausgeschlossen gewesen. Deshalb hätten die Beamtinnen Jin »zum Schutz der eigenen erson« in den Streifenwagen »gebeten«. Wegen Verständigungsschwierigkeiten sei er dabei am Oberarm angefaßt worden. Von der Bedrohung eines Asylbewerbers hätten die Polizistinnen erst auf der Wache erfahren. Vielleicht wurde deshalb den drei Asylbewerbern dieser »Schutz« nicht »angeboten«.

Außerdem bestritt die Polizei erneut, daß es sich bei den mutmaßlichen Angreifern um Rechtsextremisten handele. Dies ließe nicht einmal der äußere Anschein vermuten. In Rathenow werde zudem sehr sensibel an die Klärung von Sachverhalten unter Beteiligung ausländischer Mitbürger herangegangen.

Die Polizei in der brandenburgischen Kleinstadt kennt sich in solchen »Sachverhalten« auch bestens aus. Immer wieder war es in Rathenow zu rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Übergriffen gekommen. Im Februar diesen Jahres wandten sich 47 Asylbewerber in einem Memorandum an die Polizei und die Ausländerbeauftragte, um gegen das ausländerfeindliche Klima in der Stadt zu protestieren und um ihre Verlegung in ein anderes Bundesland zu bitten, weil sie sich in Rathenow massiv bedroht fühlten. Gewalttätige Übergriffe gegen sie seien in der Stadt an der Tagesordnung, hieß es in dem Schreiben. Den Behörden warfen die Asylbewerber Untätigkeit vor.

Anfang Mai beschloß daraufhin die Polizei in Rathenow, künftig den Gewalttaten von Rechtsextremisten stärker vorzubeugen, und erarbeitete ein Präventionskonzept, zu dem auch Gesprächsangebote an rechtsradikale Jugendliche gehören.