Stuttgarter Nachrichten, 30.8.2000

"Erst mal um deutsche Arbeitslose kümmern''

Thomas Schäuble

Sollen Asylbewerber wieder arbeiten dürfen? Baden-Württembergs Innenminister ist strikt dagegen. Das Vorhaben von Rot-Grün, so der CDU-Politiker, erhöhe den Anreiz, nach Deutschland zu kommen.

Herr Schäuble, die rot-grüne Bundesregierung will das Mitte 1997 eingeführte Arbeitsverbot für Asylbewerber wieder lockern. Wie würde sich das Ihrer Ansicht nach auswirken?

Das wäre für Flüchtlinge mit Sicherheit ein Anreiz, vermehrt nach Deutschland zu kommen. Anders gesagt: Die Zahl der Asylbewerber, die ja auf Grund des Asylkompromisses von 1992 ständig zurückgegangen ist, würde wieder ansteigen.

Geplant ist, dass Flüchtlinge erst nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland arbeiten dürfen. Ist bis dahin nicht über ihren Asylantrag entschieden?

Die durchschnittliche Dauer der Verfahren liegt derzeit unter einem Jahr. Der Aufenthalt wird aber durch Missbrauch des Asylrechts sehr häufig weit darüber hinaus verlängert. Hier ist der Bund gefordert. Er müsste durch eine Änderung im Asylverfahrensgesetz beispielsweise verhindern, dass Familien durch nacheinander gestellte Asylanträge das Verfahren in die Länge ziehen.

Auch Wirtschaftsvertreter fordern die Aufhebung des Verbots, weil es derzeit an Arbeitskräften mangelt. Ist die CDU hier nicht in einer ähnlichen Zwickmühle wie bei der Green Card?

Zunächst einmal: Der Run auf die Green Card ist - nach allem, was ich höre und lese - nicht so riesig. Im Übrigen hinkt der Vergleich. Mit der Green Card sollen gezielt qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland geholt werden.

Es gibt aber auch Personalengpässe bei einfacheren Tätigkeiten wie Reinigung oder Pflege. Könnten hier Asylbewerber nicht aushelfen?

Das meint die Bundesregierung. Ich dagegen bin der Auffassung, dass wir uns in erster Linie um die Millionen deutscher Arbeitsloser kümmern und ihnen Arbeit verschaffen müssten. Hier ist die Bundesregierung gefordert, schließlich ist der Kanzler im Wort.

Aber ist es nicht besser und für den Staat auch billiger, wenn Asylbewerber ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten statt Sozialhilfe zu beziehen?

Das klingt zwar gut, ist aber falsch. Richtig ist dagegen, dass die öffentliche Hand am ehesten dann entlastet wird, wenn möglichst wenige Asylbewerber kommen und die Asylverfahren möglichst schnell abgewickelt werden. Deshalb müssen wir am Arbeitsverbot ebenso festhalten wie an der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und am Prinzip "Sachleistung statt Bargeld''.

Was sagen Sie zum Vorwurf, mit einem Arbeitsverbot würden Flüchtlinge diskriminiert und ausgegrenzt?

Allein schon die Tatsache, dass die Bundesrepublik im europäischen Vergleich die meisten Asylbewerber aufnimmt, zeigt, dass niemand ausgegrenzt geschweige denn diskriminiert wird.

Hat das Arbeitsverbot nicht auch viele in die Schwarzarbeit getrieben?

Selbst wenn es so wäre - wir halten am Arbeitsverbot fest, weil wir jeden Anreiz vermeiden müssen, dass Asylbewerber zu uns kommen. Im Übrigen: Würde das Arbeitsverbot aufgehoben, hieße das noch lange nicht, dass Asylbewerber gleich Arbeit bekämen. Eine Arbeitserlaubnis erhalten sie nämlich nur dann, wenn Deutsche, EU-Ausländer oder Ausländer aus assoziierten Staaten wie der Türkei für diese Arbeit nicht zu gewinnen sind.

Fragen von Rainer Wehaus