Frankfurter Rundschau, 29.08.2000

Die Rassismus-Recherche in Rathenow endet vorerst vor Gericht

Mit drei Afrikanern zog der Fotoreporter Jin durch die brandenburgische Stadt und geriet in Streit mit der Polizei

Von Karin Ceballos Betancur (Berlin)

Am heutigen Dienstag muss sich ein 21-jähriger Mann aus Rathenow vor dem Amtsgericht wegen einer Attacke auf einen britischen Foto-Journalisten veranworten. Dieser wirft der Polizei vor, sich auf die Seite des Angreifers geschlagen und drei ebenfalls bedrohte Schwarzafrikaner im Stich gelassen zu haben. Die Polizei erklärt, sie habe den Fotografen schützen wollen. Dreimal ist Christopher Nsoh in den vergangenen drei Jahren ausgegangen. Dreimal hat der 31-jährige Kameruner mit Freunden die Asylbewerber-Unterkunft im brandenburgischen Rathenow verlassen. Drei Abende, die, wie er erzählt, dreimal damit endeten, dass man ihnen in der Discothek glühende Zigarettenstummel ins Hemd warf und sie einschlug.

Am Freitag waren sie zu viert unterwegs: Nsoh, zwei afrikanische Freunde und Justin Jin, ein britischer Journalist chinesischer Abstammung, der an einer Fotoreportage über Rassismus in Rathenow arbeitet. Plötzlich sei ein Typ auf sie zugekommen, berichtet Nsoh. "Er sagte: Ausländer, Nigger, was steht ihr hier rum? Das hier ist Deutschland." Der Angreifer, dem die Anklage jetzt Körperverletzung und Beleidigung vorwirft, habe dem Journalisten ins Gesicht geschlagen, als der zu fotografieren begann. Einer seiner Freunde habe dann die Polizei verständigt. Den beiden Beamtinnen, die erschienen, wirft der Journalist nach Darstellung der Potsdamer Initiative "Opferperspektive" vor, sie hätten versucht, ihm den Fotoapparat zu entreißen und ihm die Arme verdreht. Jin selbst war am Montag nicht zu einer Stellungnahme gegenüber der FR bereit. Die Polizei hat seinen Vorwurf der Verbrüderung mit Rechtsextremen als "Verleumdung" zurückgewiesen.

"Sie haben ihn aufgefordert, die Kamera herauszugeben", sagt Nsoh über den Streit. "Als er sich weigerte, drehten sie ihm die Arme auf den Rücken und stießen ihn in den Wagen." Er und die beiden anderen seien zur Polizeistation gelaufen.

Christopher Nsoh hat ein Memorandum unterzeichnet, mit dem die Flüchtlinge von Rathenow auf ihre Gefährdung aufmerksam machten. Das Potsdamer Innenministerium hatte die Stadt im März als Schwerpunkt rechtsextremer Gewalt identifiziert und zusätzliche Polizeikontrollen angeordnet. Nsoh denkt daran, Deutschland zu verlassen, denn: "Seit April stehe ich auf einer schwarzen Liste der Neonazis im Internet."