Westfälische Rundschau, 26.08.2000

Familie Eren: Nerven werden immer dünner

Unna-Königsborn. Zwei Monate nach Beginn des Kirchenasyls für die kurdische Familie Eren sind die Nerven in der Paul-Gerhardt-Gemeinde zum Zerreißen gespannt. Selbst die unbürokratische Hilfsaktion eines Bundestagsabgeordneten sorgt da einen Moment lang mehr für Probleme als für Linderung.

Gestern stärkte der bündnisgrüne Parlamentarier Christian Simmert der siebenköpfigen Familie in der Fliederstraße den Rücken. Missverständlich aber war sein Besuch angekündigt worden. Kurzzeitig las es sich so, als ob der Solidaritätsakt öffentlich, also jedermann eingeladen sei.

Das trieb der Kirchengemeinde den Angstschweiß auf die Stirn. Denn postwendend kam der Hinweis aus dem Rathaus und von der Polizei, dass öffentliche Veranstaltungen mit der Familie tunlichst unterbleiben sollten. Wenn denn die Türen des Gemeindehauses geöffnet würden, hätten in letzter Konsequenz auch die Behörden Zutritt. Vor dem Hintergrund, dass das Ausländeramt Krefeld die Erens noch immer zur Fahndung ausgeschrieben haben, hätte Simmerts Stippvisite nach hinten los gehen können. "Eine öffentliche Veranstaltung war nie geplant", sagte Pfarrer Rüdiger Pagenstecher dazu.

Dies verdeutlicht: Kein Schritt, keine Handlung darf in Königsborn momentan unüberlegt geschehen. Noch immer ist der Eilantrag vom Verwaltungsgericht Düsseldorf nicht entschieden, mit dem die Abschiebung der Erens gestoppt werden soll. Würde der positiv beschieden, hätte eine Klage auf ein erneutes Asylfolgeverfahren eine Grundlage.

Der Ermessensspielraum sei von dem als Hardliner eingestuften Ausländeramt Krefeld bisher nicht ausgenutzt worden, beklagte gestern Pagenstecher. Davon will sich nun MdB Simmert überzeugen. Er werde umgehend das Gespräch mit Krefeld suchen, um die Familie von der Fahndungsliste zu bekommen. Das Gesamtbild sollen Informationen aus dem Unnaer Rathaus formen, auch Bürgermeister Weidner werde angerufen.

Den Eilantrag ergänzt jetzt ein neues Gutachten über den Gesundheitszustand von Frau Eren. Darin werde ihr Haftunfähigkeit bescheinigt, erklärte Pfarrer Pagenstecher. Anfang nächster Woche wird ein therapeutisches Gutachten folgen. Pagenstecher hofft, dass die Glaubwürdigkeit der Erens dadurch gestärkt werde. Auch in kurdischen Zeitungen sei das Schicksal der Familie beschrieben. Der Familienvater werde bei einer Abschiebung in die Türkei mit Sicherheit im Gefängnis landen, befürchtet die Gerhardt-Gemeinde.