junge Welt, 26.08.2000

Kommentar

Schmierentheater

Grüne jammern über Rüstungsexport in die Türkei

Kaum war die Entscheidung des Bundessicherheitsrates über die Lieferung von Maschinen zur Munitionsherstellung an die Türkei bekannt geworden, hob sich zum x-ten Mal der Vorhang für das grüne Schmierentheaterstück »Wir protestieren«. Sogar die kriegspolitische Sprecherin Angelika Beer kroch aus ihrem spanischen Urlaubsschützengraben, um der Regierung ein heldenhaftes »Das trage ich nicht mit« entgegenzuschleudern. Da werden der aber gewaltig die Knie schlottern. Denn Frau Beer wedelt zornbebend mit einem Papier, das »Richtlinien für die Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen« betitelt ist. In dem steht geschrieben: »Genehmigungen werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, daß diese zur internen Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen mißbraucht werden.«

Daß die mit deutscher Technik hergestellte Munition vom türkischen Militär auch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden wird, steht natürlich außer Frage, Doch wen interessiert das schon? Die NATO bestimmt nicht, denn die braucht die Türkei als Eckpfeiler ihrer geopolitischen Strategie. Die Bundesregierung auch nicht, denn die will sich ihre unter Rot-Grün erworbene Position als NATO- Musterknabe bestimmt nicht von ein paar sentimentalen Ex- Pazifisten zerreden lassen. Auch die Maschinenfabrik Fritz Werner, die seit Jahrzehnten die Inkarnation der Metapher vom Tod als einem Meister aus Deutschland ist, wird sich mehr für die 90 Millionen auf ihrem Geschäftskonto als für dahingemetzelte kurdische Dorfbewohner interessieren.

Die Grünen haben 1998 ihren langgehegten Traum von der Regierungsbeteiligung auf Bundesebene realisieren können. Selbstredend wurde der Passus in der Koalitionsvereinbarung mit der SPD, der die Erfüllung aller eingegangenen Bündnisverpflichtungen beinhaltet, ohne mit der Wimper zu zucken unterzeichnet. Das kam einem faktischen NATO- Beitritt der Partei gleich. Natürlich wissen das auch Frau Beer und all die andern olivgrünen Kröten- und Menschenrechtsfreunde. Außerdem fällt es schwer, Leuten, die sich vor nicht allzu langer Zeit für die NATO-Aggression gegen Jugoslawien, an der selbstverständlich auch der NATO- Partner Türkei teilnahm, stark gemacht haben, auch nur ein Quentchen ehrlichen Engagements für Menschenrechte abzunehmen. Auch als Seelenmassage für die eigene Klientel eignet sich das Schmierenstück wohl kaum noch: Wer heute noch die Grünen unterstützt, sollte eigentlich wissen, woran er ist.

Rainer Balcerowiak