Die Welt, 25.8.2000

Grüne protestieren gegen neues deutsch-türkisches Rüstungsgeschäft

Bundeswirtschaftsministerium bestätigte die Genehmigung, Maschinen zur Munitionsherstellung an die Türkei zu liefern

Berlin/Istanbul - Das jüngste deutsch-türkische Rüstungsgeschäft sorgt erneut für Ärger in der rot-grünen Koalition in Berlin. Die Grünen wandten sich am Donnerstag klar gegen die Genehmigung, Maschinen zur Munitionsherstellung an die Türkei zu liefern. Der Grünen-Außenexperte Christian Sterzing sagte: "Wir halten gar nichts von dieser Entscheidung." Es sei nicht zu legitimieren, dass die Lieferung von Panzern verweigert, gleichzeitig aber eine Anlage zur Herstellung von Gewehrmunition genehmigt werde. Er habe deshalb eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, inwieweit dies in Übereinstimmung mit den Rüstungsexportrichtlinien stehe. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte die Genehmigung der Anlage. Eine Sprecherin des Ministerium sagte, dass die Genehmigung für die Anlage schon vor einiger Zeit erteilt worden sei. Sterzing kritisierte, dass die Rüstungsexportrichtlinien für dasselbe Land nicht unterschiedlich interpretiert werden könnten. Die neuen Richtlinien vom Januar sehen eine Berücksichtigung der Menschenrechtslage bei Rüstungsgeschäften vor.

Gegen die Kritik an der Panzerlieferung sei eingewandt worden, dass die Panzer im gebirgigen Gebiet ohnehin nicht gegen Kurden eingesetzt werden könnten. Dies sei bei Munition nicht der Fall.

Das hessische Unternehmen Fritz Werner Industrieausrüstungen GmbH will für 90 Millionen Mark Maschinen zur Munitionsherstellung an die Türkei liefern. Der Vertrag wurde am Mittwoch in der türkischen Hauptstadt Ankara unterschrieben.

Erst im vergangenen Jahr hatte die Frage von Rüstungsexporten in die Türkei für Streit in der Bundesregierung gesorgt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) setzte im Oktober gegen den Widerstand von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) die Genehmigung für die Ausfuhr eines Leopard-II-Testpanzers durch, der im Januar geliefert wurde. Inzwischen macht die Bundesregierung aber eine verbesserte Achtung der Menschenrechte in der Türkei zur Bedingung für das Geschäft. AFP