Neue Zürcher Zeitung (CH), 23.08.2000

Die jungen Regenten im Nahen Osten auf Reise

Aktive Diplomatie von König Abdallah und Bachar al-Asad

Jordaniens König Abdallah hat sich in Ramallah und in Tel Aviv um die Fortführung der israelisch-palästinensischen Verhandlungen bemüht. Israels Präsident Katsav weigerte sich aber, ihn zu empfangen. Gleichzeitig hat der syrische Aussenminister Charea angekündigt, die erste Auslandreise des neuen Präsidenten, Bachar al-Asad, werde nach Ägypten führen.

ber. Kairo, 22. August

Der jordanische König Abdallah ist am Dienstag per Helikopter zu einem Treffen mit dem Vorsitzenden der palästinensischen Autonomiebehörde, Arafat, nach Ramallah im Westjordanland gereist. Laut dem jordanischen Aussenminister wollte der Monarch mit seinem Besuch die blockierten Verhandlungen zwischen den Palästinensern und den Israeli wieder in Gang bringen. Arafat informierte Abdallah über seine eben abgeschlossene Reise durch 23 Länder. Er hatte dabei um Unterstützung für die Ausrufung des Staates Palästina am 13. September geworben, zum Schluss jedoch bekannt gegeben, er ziehe eine Verschiebung in Erwägung. Bei seinen Unterredungen mit dem jordanischen Monarchen hielt Arafat fest, dass am Vorhaben der Staatsgründung nicht gerüttelt werde; einzig festzulegen sei noch das Datum. Über dieses werde die Gesetzgebende Versammlung der Palästinenser in den Autonomiegebieten spätestens am 13. September entscheiden.

Weiterhin jordanische Unterstützung
Das Treffen Abdallahs mit Arafat reiht sich in die aktive Diplomatie des Königs ein, mit der er versucht, auf die Nahostverhandlungen Einfluss zu nehmen. Die jüngste Reise ist bereits die dritte, die der König seit seiner Krönung im Februar vor anderthalb Jahren in die palästinensischen Autonomiegebiete unternimmt. Gleichzeitig hat er sowohl Arafat als auch den israelischen Ministerpräsidenten mehrmals in Amman empfangen. Bei den Treffen am Dienstag betonte Abdallah erneut, dass er eine israelische Souveränität über die heiligen islamischen Stätten in Ostjerusalem ablehne. Ostjerusalem werde von Jordanien als besetztes arabisches Gebiet betrachtet. Er unterstütze weiterhin einen unabhängigen Staat Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt.

Auch Damaskus will offenbar wieder eine aktivere Rolle in den Nahostverhandlungen spielen. Am Sonntag und Montag hielt sich der syrische Aussenminister Charea in Alexandria auf; mit einem Brief kündigte er dem ägyptischen Präsidenten den baldigen Besuch Bachar al-Asads an. Es ist die erste Auslandreise des jungen Asad, der am 17. Juli kurz nach dem Tod seines Vaters Hafez als Präsident vereidigt wurde. Bachar plant auch Besuche in Saudiarabien und Bahrain; Kairo und Riad spielen nach Meinung Syriens Schlüsselrollen im Friedensprozess. Charea wich in seinen Deklarationen in Alexandria nicht von der klar umrissenen und unnachgiebigen Haltung ab, die bereits Bachars Vater ausgezeichnet hatte. An einer Pressekonferenz erklärte Charea, Israel müsse sich gänzlich aus Ostjerusalem zurückziehen, damit es ungeteilt zur Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden könne.

Charea und Asad wollen auf ihren Reisen anscheinend auch Leitplanken für Arafat errichten. Der syrische Aussenminister meinte kürzlich in einem Fernsehinterview mit dem arabischen Satellitenkanal Al-Jazira, dass zwischen Arafat und Asad zwar kein persönliches Problem bestehe, doch eine schier unüberwindliche Kluft hinsichtlich der syrischen und palästinensischen Haltung in den Friedensverhandlungen. «Für uns stellt sich die Frage», sagte Charea, «ob Arafats in Camp David gezeigte Hartnäckigkeit von Dauer sein wird. Wir haben Angst, erst mit ihm zu verhandeln und dann zusehen zu müssen, wie er abermals Konzessionen bezüglich der verbrieften Rechte der Palästinenser macht.

Zusatzinformation: Ein in Israel geschätzter Vermittler

gsz. Der jordanische König Abdallah ist am Dienstag zu einem dreistündigen Besuch in Tel Aviv eingetroffen. Bei einer Gedenkfeier für den ermordeten ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Rabin im Beisein von seiner Frau Lea und Shimon Peres legte der König einen Kranz an der Stelle des Attentats nieder. Dann begab er sich zu einer Unterredung mit dem israelischen Regierungschef Barak in das Verteidigungsministerium. Aus protokollarischen Gründen hätte Abdallah eigentlich vom israelischen Präsidenten Katsav empfangen werden sollen. Katsav erklärte jedoch, er würde den Gast gerne in Jerusalem willkommen heissen. Es schicke sich aber nicht, dass er zu diesem Zwecke nach Tel Aviv reise. Der Führer der Opposition, Sharon, blieb dem Empfang ebenfalls fern.

Zu Beginn der Unterredung hob Barak das Vertrauen hervor, das man dem haschemitischen Herrscher in Israel und in der arabischen Welt entgegenbringe. Das Königreich könne deshalb im Friedensprozess eine wichtige Rolle spielen, und Israel werde unter Wahrung der jordanischen Interessen den Weg zu einer Konfliktlösung weiter beschreiten. Israel sei zu Kompromissen bereit, doch leider habe er auf der palästinensischen Seite keine entsprechende Bereitschaft erkannt, meinte Barak. Abdallah unterstrich, dass sein zweiter Besuch in Israel - der erste fand Anfang des Sommers in Eilat statt - ein Zeugnis für die engen Beziehungen seines Landes zu Israel sei. Baraks negativer Bewertung der palästinensischen Friedensbereitschaft wollte er nicht beistimmen. Er habe bei Arafat einen ehrlichen Friedenswillen vorgefunden. Der König erklärte, den Palästinensern müsse Gerechtigkeit widerfahren und Israel solle Sicherheit erhalten. Auch Syrien bescheinigte Abdallah den Willen zum Frieden. Allerdings sei Bachar Asad noch mit internen Problemen beschäftigt und benötige Zeit, um sich den Verhandlungen mit Israel zuwenden zu können. Dann werde er aber eine positive Rolle spielen. Mit den Fortschritten in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und Jordanien sei er sehr zufrieden, erklärte der König.