junge Welt, 23.08.2000

Verärgerung in Washington

UN-Unterkommission fördert Auseinandersetzung mit Wirtschaftssanktionen

Bei ihren Bemühungen, den Einfluß der UN- Menschenrechtsunterkommission einzuschränken, haben sich die USA offenbar selbst geschadet. Seit der Ausschuß auf Druck Washingtons die Zuständigkeit verloren hat, Anzeigen über Menschenrechtsverletzungen in einzelnen Staaten nachzugehen, befaßt er sich intensiv mit den Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen auf die betroffene Bevölkerung. Die Auseinandersetzung mit den Folgen der Embargopolitik hat zu einer Reihe kritischer Untersuchungen geführt - zum Ärger der Vereinigten Staaten. Denn innerhalb der US- Auslandspolitik hat die wirtschaftliche Abschottung als außenpolitisches Mittel einen festen Stellenwert erobert.

In der letzten Woche hat die UN- Menschenrechtsunterkommission einen neuen Bericht über die Folgen von Sanktionen vorgestellt. Das Fazit: Die gewaltsame Isolation eines unliebsamen Landes ist ineffizient und aus menschlicher Sicht inakzeptabel. Wie der Autor der Studie, der belgische Jurist Marc Bossuyt, betont, geht die Rechnung nicht auf, die Zivilbevölkerung durch wirtschaftlichen Druck zum Kampf für einen politischen Wandel in ihren Heimatländern zu bewegen. Dies gelte gerade für repressive Staaten, in denen demokratische Strukturen fehlten. In solchen Systemen, so das ehemalige Mitglied der UN-Menschenrechtsunterkommission weiter, führten die Sanktionen häufig dazu, die Bevölkerung noch stärker zu kontrollieren. Zudem würden sich die leidgeprüften Menschen meist auf die Seite ihrer Regierung und gegen die Verursacher ihrer Notsituation stellen.

Die US-Reaktion auf diesen neuen Bericht für die am vergangenen Freitag zu Ende gegangene Sitzungsperiode in Genf kam prompt. Die Schlußfolgerungen in dem Report seien »falsch, fehlgeleitet und aufhetzerisch«, so George Moose, ständiger US-Vertreter bei den Vereinten Nationen in Genf. Das Dokument »stellt die Glaubwürdigkeit der Unterkommission auf die Probe«.

Der Bossuyt-Studie zufolge hat das von Washington einseitig über den Irak verhängte Embargo zwischen einer und eineinhalb Millionen Todesopfer gefordert. Bei der Mehrheit von ihnen handelt es sich um Kinder. Sowohl im Irak als auch in Kuba, das seit 40 Jahren von Washington mit einem Embargo belegt ist, sei das Ziel dieser Maßnahme bis heute nicht erreicht worden.

Gustavo Capdevila, Genf