Süddeutsche Zeitung, 22.8.2000

Völkerverbindende Züge

Erstmals seit 19 Jahren fährt eine Bahn von Syrien in den Irak

Brüderliche Freundschaft und Zusammenhalt über Ländergrenzen hinweg schwören sich die arabischen Herrscher gerne bei feierlichen Treffen. Doch seit den Tagen, als Gamal Abd el-Nasser der arabischen Welt mit der Ideologie des Panarabismus neues Selbstbewusstsein gab, geht es immer wieder um die kleinliche Frage, wer die arabische Gemeinschaft anführen darf. Vor allem die Nachbarn Syrien und Irak streiten sich um die Vormachtstellung in der Region. Beide Länder betrachten sich als rechtmäßige Verfechter der Baath-Ideologie, der arabischen Variante des Sozialismus'. Und beide ließen keine Gelegenheit aus, wie zuletzt im Golfkrieg, sich ihrer Feindschaft zu versichern.

Baschar el-Assad, der junge Staatschef Syriens, hat sich nun offenbar vorgenommen, wenigstens die Verkehrswege zwischen den arabischen Brudervölkern zu verbessern. Erstmals seit 19 Jahren durfte vor zwei Wochen wieder eine Bahn die Grenze zwischen Syrien und dem Irak überqueren. "Zur Verbesserung der arabischen Bruderschaft", wie auf den Plakaten, die die Lok zierten, zu lesen war, fuhr ein Zug aus der irakischen Stadt Mossul in die nordsyrische Stadt Aleppo. Nach Informationen des Spiegel soll der "Aleppo-Mossul-Express" nun einmal wöchentlich die 683 Kilometer lange Linie befahren. Sie ist Teil der Hijaz-Bahnstrecke, deren Bau Anfang des 19. Jahrhunderts von deutschen Ingenieuren begonnen wurde. Bis in die vierziger Jahre haben die Briten einen Teil der Strecke militärisch genutzt.

Im Jahr 1981 jedoch brach der Irak die diplomatische und die Eisenbahnverbindung zu Syrien ab - weil es im Golf-Krieg nicht den arabischen Bruder aus Bagdad, sondern Iran unterstützte. Doch haben beide Staaten inzwischen erkannt, dass wirtschaftliche Schwäche und Isolation ihre Träume von politischer Dominanz zunichte machen. Seit drei Jahren verkehren wieder Busse zwischen Bagdad und Damaskus, mit der neuen Bahnverbindung könnte auch der Güterverkehr ausgebaut werden. Syrien hat auf diese Weise bereits seine Beziehungen zu Jordanien verbessert, die es nach dessen Friedensschluss mit Israel 1994 abgebrochen hatte - seit einem Jahr fahren regelmäßig Züge von Amman nach Damaskus. Es heißt, die Syrer verhandelten nun auch schon mit Iran - eine Eisenbahnlinie nach Teheran könnte dann immerhin wieder die Pilger der arabischen Länder zusammenbringen.

Karin Gothe