Frankfurter Rundschau, 22.8.2000

Sezer bleibt bei Nein zu Radikalen-Dekret

ISTANBUL/ANKARA, 21. August (dpa). In der Türkei spitzt sich der Streit zwischen der Regierung und Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer weiter zu. Sezer weigerte sich am Montag zum zweiten Mal, ein umstrittenes Regierungsdekret zu unterzeichnen. Das Dekret soll die Entlassung von Beamten und Staatsbediensteten ermöglichen, die Kontakte zu illegalen islamistischen oder separatistischen Organisationen haben. In einem Rechtsstaat müsse eine so weit reichende Entscheidung per Gesetz geregelt werden, forderte Sezer, der zuvor Vorsitzender des türkischen Verfassungsgerichts war.

Hunderte, vielleicht sogar Tausende könnten entlassen werden. Für eine Entlassung wären Berichte von zwei Inspektoren über angebliche illegale Verbindungen ausreichend. Ministerpräsident Bülent Ecevit hatte Sezer das unveränderte Dekret erneut vorgelegt und wollte den Präsidenten dazu zwingen, das Dekret zu unterzeichnen. Damit will die Regierung die Einheit des Landes und die Trennung von Staat und Religion sichern.

Die Opposition - vor allem die von einem Verbot bedrohte islamistische Tugend-Partei (FP) - und zahlreiche Kommentatoren begrüßten das Veto des Präsidenten. Sollte das Thema als Gesetzesvorlage ins Parlament kommen, hätte es Beobachtern zufolge keine Chance, verabschiedet zu werden.