Süddeutsche Zeitung, 21.8.2000

"NPD-Verbot ist ein Stück politischer Hygiene"

Schröder fordert gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern / "Eisenhartes Handeln notwendig

Berlin (SZ) - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich am Wochenende für ein Verbot der rechtsextremen NPD ausgesprochen. Bundestag und Bundesrat sollten nach seiner Ansicht gemeinsam das Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht beantragen, falls die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein solches für möglich halte. Ein Verbot der Partei sei auch ein Stück politischer Hygiene, meinte Schröder. Der Bundeskanzler rief die Justiz außerdem zu einem "eisenharten" Vorgehen gegen Rechtsextremisten auf. Die Gesetze reichten aus, wichtig sei deren strikte Anwendung. Mit der Verhängung von Bewährungsstrafen müsse man nicht so freundlich sein, wie das gelegentlich geschehe, sagte er. Hessens Ministerpräsident Roland Koch äußerte sich skeptisch über ein Verbot der NPD, weil die Behörden dann auch gegen andere Parteien vorgehen müssten.

"Keine Notstandssituation

Schröder betonte, um "ein deutliches gemeinsames Signal" zu setzen, sollten Bund und Länder bei einem NPD-Verbotsantrag an einem Strang ziehen. Das würde auch beim Verfassungsgericht Eindruck machen. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering befürwortete ein Verbot der rechtsextremen Partei. "Wenn man die aus dem Gleichschritt bringt, ist eine ganze Menge gewonnen", betonte er. Dagegen begründete der hessische Ministerpräsident seine Skepsis gegenüber einem Verbot damit, dass verfassungsfeindliche Parteien "am besten mit offenem Visier" zu bekämpfen seien. Wer die NPD verbieten wolle, müsse auch die PDS überprüfen, sagte der CDU-Politiker. Teile der Links-Partei stünden auch nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Schröder sprach sich zudem dafür aus, dass an Orten wie dem Platz vor dem Brandenburger Tor oder dem Holocaust-Mahnmal "besser keine Demonstrationen zugelassen würden. Dazu sollten die Gesetze geändert werden. Dafür wirbt Berlins Innensenator Eckart Werthebach seit Wochen. Die SPD hatte sich bislang dagegen ausgesprochen. Werthebach gab sich jetzt optimistisch, dass die von ihm geforderte Einschränkung des Versammlungsrechts auf der Innenministerkonferenz im November beschlossen wird. Koch warnte davor, die Gefahr des Rechtsextremismus überzubewerten. Deutschland sei "kein rechtsradikales Land". Auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) unterstrich, es gebe "keine Notstandssituation".

Eine deutliche Mehrheit von 72 Prozent der Deutschen ist einer Umfrage zufolge für die Einführung von Schnellverfahren zur Verurteilung von rechtsradikalen Gewalttätern. Fünf Prozent machten keine Angaben. Auch Koch forderte schnelle Urteile ohne Bewährung gegen "den rechtsradikalen Spuk". Es müsse gelten, "wer prügelt, der sitzt".

Die Justiz wies die Forderungen nach einem härterem Durchgreifen zurück. "Man sollte sich abgewöhnen, im Strafrecht den Anker schlechthin für die Gesellschaft zu sehen", sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Rainer Voss. "Die Gerichte kommen ganz am Schluss." Man könne hohe Strafen verhängen, aber damit werde noch längst nicht die innere Einstellung erreicht. Das sei ein gesellschaftliches Problem. Kinder verlören den Maßstab für Menschenwürde durch Gewaltdarstellungen in Videos und Computerspielen.

Den Appellen zum Schulterschluss gegen Rechte ließen CDU und Grüne in Schleswig-Holstein am Wochenende Taten folgen. Der neue CDU-Landeschef Johann Wadephul trug sich auf einem Sommerfest der Union in Neumünster in eine Unterschriftenliste der Grünen-Bundestagsabgeordneten Angelika Beer ein. Darin wird die Schließung des Rechtsextremisten-Treffs "Club 88 gefordert