Frankfurter Rundschau, 19.8.2000

Türkei wirft Bomben in Nordirak

Kurden sprechen von 38 Toten bei Angriff auf Hirtenlager

Von Gerd Höhler

ATHEN, 18. August. Bei einem Angriff türkischer Bomber auf ein Lager kurdischer Hirtenfamilien in Nordirak sollen mindestens 38 Menschen getötet und elf verwundet worden sein. Unter den Opfern seien viele Frauen und Kinder, hieß es in einer Mitteilung der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), die große Teile der Region kontrolliert. Militärsprecher in Ankara dementierten den Vorfall. Der Angriff soll sich laut KDP bereits am Dienstag dieser Woche ereignet haben.

Möglicherweise gingen die Bomberpiloten davon aus, bei den Zelten der Hirtenfamilien handele es sich um ein Lager von Rebellen der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Eine Überlebende berichtete, mehrere Kampfflugzeuge hätten das Sommerlager der Hirten in geringer Höhe überflogen, seien dann zurückgekehrt und hätten Bomben geworfen. "Wir haben nichts mit der PKK zu tun sondern nur unsere Herden hier oben geweidet, wir wissen nicht, warum sie uns angegriffen haben", sagte die Frau. Türkische Medien zitierten einen Militärsprecher in Ankara mit der Versicherung, es sei undenkbar, dass die Luftwaffe Zivilisten angreife. Die Militäroperationen in Nordirak richteten sich ausschließlich gegen die PKK.

Nordirak ist seit dem Golfkrieg der Kontrolle Bagdads entzogen. Die Alliierten schufen hier 1991 eine Schutzzone für die kurdische Bevölkerung. Für die PKK ist die Region seit dem Ende des Golfkriegs das wichtigste Rückzugsgebiet, rund 5000 Rebellen werden hier noch vermutet.

Agenturangaben zufolge bomardierten bereits am Donnerstag amerikanische und britische Kampfflugzeuge Flugabwehrstellungen in Nordirak . Es handelte sich dabei bereits um den vierten Luftangriff auf irakische Ziele innerhalb einer Woche. Die Alliierten hätten damit auf Flugabwehrangriffe Iraks reagiert, teilte die US-Armee mit.

Nach irakischen Angaben wurden bei den bisherigen Bombardements der Alliierten rund 300 Menschen getötet und mindestens 900 verletzt.