Frankfurter Rundschau, 19.8.2000

Anwalt rügt verfassungswidrige Abschiebungen

Schwere Vorwürfe gegen Baden-Württemberger Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge

Von Dieter Balle

KARLSRUHE, 18. August. Die baden-württembergische Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge (LAST) in Karlsruhe soll in jüngster Vergangenheit mehrfach versucht haben, Asylbewerber "rechts- und verfassungswidrig" abzuschieben. Dies geht aus einer Strafanzeige hervor, die die Heidelberger Anwaltskanzlei Schmid, Rosenbaum&Helfert vergangenen Mittwoch gegen einen LAST-Beamten gestellt hat.

Die Kanzlei wirft der LAST "versuchte mittelbare Freiheitsberaubung" vor, da sie unter anderem den algerischen Asylbewerber Ali M. aus Heidelberg zwei Mal rechtswidrig in Abschiebehaft habe nehmen wollen. Zunächst hatte die Behörde versucht, den Algerier Anfang Mai unter Missachtung der für langzeitgeduldete Ausländer laut Paragraf 56 Ausländergesetz zwingend vorgeschriebenen Ankündigungsfrist von einem Monat abzuschieben. Die Abschiebung wurde erst nach Androhung strafrechtlicher Konsequenzen durch M.s Anwalt gestoppt. Danach entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe am 25. Mai, dass der Algerier so lange nicht abgeschoben werden dürfe, bis seine schwerkranke deutsche Ehefrau aus der Klinik entlassen werde, nicht zuletzt da M. seine sechs minderjährigen Stiefkinder zu versorgen habe. Eine baldige Entlassung der Frau ist aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung laut Anwalt Tobias Helfert nicht abzusehen.

Ungeachtet von Sachlage und Gerichtsurteil veranlasste die LAST jedoch nun erneut Abschiebehaft für M. und organisierte die Abschiebung via Frankfurt/Main für den 15. August, den Geburtstag der schwerkranken Ehefrau. Unter anderem suchte die Polizei auch im Krankenhaus nach M., ohne ihn jedoch zu finden.

Der Fall M. sei "kein Einzelfall", so Helfert zur FR, auch in anderen Fällen sei die LAST rechts- und verfassungswidrig vorgegangen. Es sei bei der Karlsruher Behörde "gängige Praxis", etwa Anträge auf Wiederaufgreifen der Ausweisungsverfügung monatelang liegen zu lassen und zu verzögern. In der Zwischenzeit versuche man, die betroffenen Flüchtlinge abzuschieben. Auch M. wartet seit mehr als drei Monaten auf eine Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag, nachdem durch seine Heirat vor einem Jahr eine neue Sachlage entstanden ist. Anwalt Helferich will deshalb auch eine Untätigkeitsklage gegen die LAST erheben, falls nicht bald eine Entscheidung ergeht.

Ein Sprecher der LAST sagte der FR, die versuchte Abschiebung sei tatsächlich rechtswidrig gewesen. Es habe sich um einen Irrtum gehandelt und sei somit kein strafrechtlich relevanter Tatbestand. Ob gegen den verantwortlichen Beamten disziplinarrechtlich vorgegangen werde, werde geprüft. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat die LAST aufgefordert, bis Montag eine Stellungnahme abzugeben. Im Fall M. zeigte sich der LAST-Sprecher in der Sache unnachgiebig: Wenn die Ehefrau M.s aus der Klinik entlassen werde, werde man bei unveränderter Rechtslage abschieben. M. könne die Wiederaufnahme der Ausweisungsverfügung ja vom Ausland aus betreiben.