junge Welt, 16.08.2000

Rechte Gesinnungsnahrung

Gastkommentar zu den aktuellen Chefsachen

Seit Außenminister Joseph Fischer die Bekämpfung rechtsradikaler Umtriebe zur Chefsache erklärte, wird wieder einmal über die Hintergründe der Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft spekuliert. Solange die CDU/CSU-FDP-Koalition die Regierung stellte, waren sich viele Grüne und Sozis einig: Die immer wieder aufflackernde rassistische Asylhetze der alten Regierung wurde - zu Recht - dafür verantwortlich gemacht, daß ausländerfeindliche Emotionen in der Gesellschaft wuchsen und daß rechtsextreme Glatzen zur Beschleunigung der offiziellen Ausländer-raus-Politik selbst zur Tat schritten.

Doch diese Binsenweisheit ist scheinbar seit dem Regierungswechsel in Vergessenheit geraten. Vorsichtig erinnerte jetzt ein Kommentar in er »taz« daran, daß es durchaus einen »Zusammenhang zwischen Regierungspolitik und Aktivitäten der rechten Szene« gäbe. Näher ausführen geschweige denn auf den Punkt bringen mochte er das jedoch nicht. Das einzige, was der Zeitung im Einvernehmen mit Fischer und Stoiber zur Lösung des Problems einfiel, war, noch mehr Gewalt zu fordern: staatliche Gewalt in Form von Zensur und Verboten.

Dabei liegen Zusammenhänge zwischen Regierungspolitik und Rechtsextremismus auf der Hand. Außenminister Fischer und Innenminister Schily dürften einigen rechten Hardlinern sicher als neue Leitfiguren bei der Ausländerbehandlung gefallen - nach wie vor als ein bißchen zu lasche und nachhilfebedürftige freilich, eben so, wie früher der Kanther. Otto Schily macht Stimmung gegen »falsche Asylanten«, wie es sein Vorgänger nicht besser konnte. Und der Ex- Grüne, jetzt-SPD-Innenminister steht zudem dafür gerade, daß Flüchtlinge am Frankfurter Flughafen behandelt und abgeschoben werden wie ein Stück BSE-verseuchtes Vieh. Suizidversuche, Selbstmorde und sonstige Todesfälle in Abschiebehaft, bei Deportationsversuchen oder bei Ankunft in der »Heimat« werden dabei als so etwas wie »Kollateralschäden« verbucht.

Und Joseph Fischer, der jetzt zum »Kampf gegen Rechts« bläst, hat Rechten andere Anreize gegeben, als er im vergangenen Jahr die Bundeswehr in Richtung Balkan schickte, um dort bei »den Serben« für Ruhe sorgen zu lassen. Die Brandbomben auf Asylwohnheime in Deutschland kann man also auch als innenpolitische Variante der Tornado- Bomben auf Jugoslawien betrachten. Hinter beiden stehen verblendete Ideologien und zu deren rigoroser Umsetzung bereite Leute, die sich auch mal anmaßen, Bomben zu schmeißen.

Das Duo Fischer-Schily harmoniert hier glänzend, und es liefert beständig weitere rechte Gesinnungsnahrung: Vor ein paar Wochen feierte man ein neues Einwanderungsgesetz, das die Einbürgerung erleichtern soll. Dieses Recht soll nun aber doch nicht für jeden Ausländer gelten - schon gar nicht für die potentiellen »Unruhestifter« vom Balkan. Die Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft ist für Jugoslawen unmöglich - egal ob sie hierzulande geboren wurden oder schon seit 30 Jahren in Deutschland leben. Nicht einmal Einladungen jugoslawischer Staatsbürger nach Deutschland sind seit dem NATO-Krieg erlaubt. So vereinen sich Rassismus und Militarismus. Doch Fischer, Schily und ihre taz- Kommentatoren würden sicher entgegenhalten, das alles diene nur der Verteidigung der »Menschenrechte«.

Thomas Deichmann

(Chefredakteur des Magazins Novo / www.novo-magazin.de)