junge Welt, 16.08.2000

Solingen: Kein Geld für Antirassisten

CDU/FDP-Ratsmehrheit streicht dem Verein »SOS-Rassismus« die Gelder.

Von Rainer Balcerowiak

Während sich Politiker aller Parteien in Sonntagsreden über den verstärkten Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit üben, plant die CDU/FDP-Ratsmehrheit der Stadt Solingen die Streichung aller finanziellen Mittel für den Verein »SOS-Rassismus« ab dem kommenden Jahr. »Damit wäre die Arbeit des Vereins faktisch erledigt«, bestätigte Britta Müller, die Geschäftsführerin des Vereins, am Dienstag gegenüber junge Welt. Ohne die bisher bewilligten 91 000 Mark sei die Koordination der vielen ehrenamtlichen Aktivitäten und das regelmäßige Beratungsangebot für Flüchtlinge in der Stadt nicht mehr weiterzuführen.

Gegründet wurde die Initiative kurz nach dem Brandanschlag auf das Wohnhaus der türkischen Großfamilie Genc Ende Mai 1993. Dabei kamen fünf Familienmitglieder ums Leben, elf weitere wurden teilweise schwer verletzt. Seither organisierte »SOS Rassismus» unter anderem Jugendcamps, Diskussionsrunden und Infostände, gab Schriften heraus und war zudem maßgeblich an der Organisation der Gedenkfeiern zu den Jahrestagen des Anschlags beteiligt. Die Initiative richtete ein Büro ein, das weiteren kleineren Anti-Rassismus-Gruppen vor Ort als Anlaufstelle dient. Die Gründung des Vereins und seine Arbeit fanden seinerzeit bundesweit und auch international große Beachtung als ein Beispiel für Bürgerengagement gegen rassistischen Terror.

Der seit den letzten Kommunalwahlen in Solingen regierenden Koalition aus CDU und FDP scheint das allerdings ziemlich egal zu sein. Man hat uns mitgteilt, der Verein »SOS Rassismus« sei überflüssig, da der Fremdenfeindlichkeit inzwischen aus der Mitte der Gesellschaft heraus begegnet werde, so Müller gegenüber jW. Offensichtlich ist der Ratsmehrheit auch die Flüchtlingsarbeit des Vereins ein Dorn im Auge.

Dabei gibt es nach wie vor eine organisierte rechtsextreme Szene mit mehreren Treffpunkten in Solingen, die auch in der letzten Zeit mit Attacken auf fremdländisch aussehende Bürger und unzähligen faschistischen Schmierereien in Erscheinung getreten ist.

Der Geschäftsführer der Solinger CDU-Fraktion, Jan Welzel, beteuerte gegenüber jW, daß die verfügte Mittelstreichung »rein fiskalische ründe« habe, denn »irgendwie müssen die Kommunen die Penunse ja zusammenhalten«. Er räumte jedoch ein, daß die Debatte in seiner Fraktion »sehr verkürzt« geführt worden sei. Auch über einen möglichen Imageschaden für die Stadt Solingen sei man sich nicht im klaren gewesen. Er kündigte an, daß man sich vor den abschließenden Haushaltsberatungen im November dieses Jahres noch einmal mit allen Beteiligten zusammensetzen wolle. »Ich gehe davon aus, daß wir eine entsprechende Summe für diese Zwecke doch noch in den Haushalt einstellen werden«, so Welzel, der aber ausdrücklich offenließ, ob damit der Verein »SOS-Rassismus« weiter gefördert werden soll, da dessen jetzige Angebote - wie z.B. Hilfe für Asylbewerber beim Ausfüllen ihrer Anträge - »nicht dem ursprünglichen Vereinszweck entsprächen«.

»So oder so, wir müssen und wir werden weitermachen«, gibt sich Müller kämpferisch. Man wird im August erneut einen Antrag auf Haushaltsmittel stellen. Sie hofft auf überregionalen politischen Druck auf die Solinger Ratsmehrheit, denn: »Was muß das für ein Signal für die Rechten sein, wenn unser Verein gesellschaftlich nicht mehr geduldet wird?«